Ich möchte gerade einfach nicht mehr – nicht mehr machen, tun, motivieren, optimieren, mich steigern. Ich bin gerade einfach müde. Nicht erschöpft müde, sondern lustlos müde. Ein Zustand, den ich ganz ehrlich gesagt nicht von mir kenne. Daher hat mich dieses lustlose Müdigkeitsgefühl anfangs auch echt überfordert. Überfordert, weil erschöpft müde, das kenne ich ziemlich gut. Aber lustlos müde, das ist bzw. war mir tatsächlich fremd.
Ich kann im Normalfall aus dem Stegreif spontan 10 Dinge aufzählen, dir mir Freude bereiten und die ich gerne tun möchte. Am liebsten sofort. Alle. Mein Freund kann davon ein Lied singen und sein Grinsen, wenn ich wieder etwas am Was-wir-alles-tun-könnten-Rad drehe, ist selbstredend und ich liebe es, auch wenn er mir damit den Spiegel direkt vors Gesicht hält. Zu diesen tollen Dingen zählt bei mir nicht nur Kaffee trinken gehen mit lieben Menschen, auf Flohmärkten stöbern, spazieren oder etwas famos Leckeres kochen. Nein, hierzu zählt bei mir auch arbeiten, kreativ sein, Projekte anschieben und nach vorne bringen, Ideen und Menschen vernetzen, schreiben. Doch auch zu letzterem muss ich mich gerade echt aufraffen.
„Wir optimieren uns ständig“
Natürlich habe ich mein Analysegen angeworfen und versucht zu ergründen, was da gerade bei mir abgeht. Letzte Woche fand ich die Antwort, die ehrlich gesagt nicht toll, sondern einfach ist, wie sie ist – nun ja, des Öfteren ist die, also meine Wahrheit nicht freudestrahlend-mir-zuwinkend, sondern realistisch-anerkennend im Hier und Jetzt. Also here we go, ich versuche meine Wahrheit in eine logische, für Außenstehende nachvollziehbare Antwort zu bringen. Wir optimieren uns ständig. Wir werden angehalten, es ständig zu tun. Im Arbeitsleben geht es in der Regel darum, das Vorherige zu toppen, zu optimieren, zu steigern. Das ist ganz normal, wenn wir uns die Regeln eines kapitalistischen Systems anschauen. Das funktioniert nur über und durch Steigerung. Aber nicht nur in unserer Arbeitswelt werden diese Mechanismen wirksam. Auch in den Bereichen, nennen wir es mal zur Selbstentwicklung, geht es sehr oft darum, sich selbst zu verbessern, ein besserer Mensch zu werden, eine bessere Version von sich selbst, noch mehr man selbst zu sein. An sich etwas Gutes. Doch wenn das Mehr und Mehr auch hier Einzug hält, dann sollte man aufhorchen. Ganz generell.
„Doch wenn das Mehr und Mehr auch hier Einzug hält, sollte man aufhorchen.“
Im Immer-Mehr-Haben-Wollen-Fall streben die Menschen in der Regel nach mehr Macht und mehr Geld, mehr, um weniger zu fühlen, und es gilt hier die Mittel zu optimieren, um diese Ziele zu erreichen. Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Gewalt inbegriffen. Im Immer-Mehr-Sein-Wollen-Fall streben die Menschen in der Regel nach mehr Zufriedenheit, nach mehr Glück, nach mehr Erfüllung, für mich mündet all das im mehr Frieden haben wollen und es gilt das eigene Selbst so zu optimieren, dass diese Ziele erreicht werden können. Frieden zu wollen und Selbstoptimierung anzustreben sind natürlich an sich etwas Gutes, doch hier wird ein Punkt übersehen, meiner Meinung nach.
Ich glaube mittlerweile, übersehen, weil die „Wahrheit“ zu schmerzlich ist, weil wir sie einfach nur aushalten anstatt ändern können, und da scheuen wir uns und optimieren lieber noch an uns selbst weiter und weiter und mehr und mehr, weil wir so das Gefühl haben, dass wir etwas tun statt nur auszuhalten. Wir können damit überschatten, wie hilflos wir uns tatsächlich fühlen. Oder besser gesagt, wir können (dadurch) das Gefühl der Hilflosigkeit und das Gefühl der Ohnmacht durch unser Tun überlagern. Mir geht es jetzt hier an dieser Stelle ganz konkret um den Punkt des Friedens. Ich kann für mich und in meinem näheren Umfeld für Frieden sorgen und das tue ich auch immer und immer wieder und bleibe dran, auch wenn ich strauchle oder es schmerzt.
„Wir können das Gefühl der Hilflosigkeit und das Gefühl der Ohnmacht durch unser Tun überlagern.“
Doch in letzter Zeit hat das Universum mir des Öfteren Situationen geschickt, in denen ich ganz deutlich erkennen musste, dass mein Frieden mein Frieden ist und sein darf, aber im (großen) Außen mein Friedenswunsch nun mal nicht nur nicht ankommt, sondern auch nicht respektiert wird von einigen Menschen. Ich möchte keine konkreten Beispiele nennen, weil ich hier keine Debatte zu bestimmten Themen entfachen möchte. Vielmehr möchte ich trotz der Sinnleere, trotz des scheinbar abhandengekommenen natürlichen Menschenverstandes, trotz der Gewalt und der Ungerechtigkeiten in dieser Welt positiv bleiben und das Ganze in ein Licht stellen, das zum Wachstum beitragen kann.
Auch wenn mein Wille und Wunsch zum gewaltlosen, friedvollen Umgang miteinander nicht immer respektiert werden, so lasse ich sie mir trotzdem nicht nehmen und auch nicht meinen Glauben an das Gute. Genau darum, nämlich trotzdem (!) meinen eigenen Frieden zu etablieren, zu festigen, zu erweitern, darum geht´s nämlich in dieser sonderbaren Welt, an der ich zugegebenermaßen in letzter Zeit auch oft zweifle und ja, eben strauchle, wenn ich mir das große Ganze anschaue, was die Spezies Mensch hier auf diesem Planeten so tut und sich untereinander antut.
Das mag jetzt vielleicht hart und seltsam klingen, aber ich habe für mich gelernt, dass, wenn wir die (Selbst-)Optimierung anstreben, um etwas Schmerzhaftes damit auszublenden oder niedergedrückt zu lassen, dann kann Optimierung nie der Weg sein. Wenn man, so wie ich, den ganzen Unfrieden auf der Welt schlecht ertragen kann, ja, weil er einfach nicht sein müsste, und man manchmal vor lauter Ungerechtigkeiten erstarrt und wie gelähmt scheint und man deswegen sich selbst stets weiter optimiert in seinem Friedensdasein, um wenigstens irgendwas tun zu können, dann geißelt man sich selbst. Dann wird man selbst zum Gefangenen in seinem eigenen Kerker des Friedens. Und auch der Frieden an sich wird eingesperrt und kann nicht fließen, da man sich selbst nicht friedvoll behandelt und betrachtet, sondern stets wie ein Produkt, das man selbst weiter optimiert/optimieren muss. Aber nicht optimiert, um aus einer inneren Motivation und Freude heraus besser zu werden, sondern weil man damit so gut beschäftigt ist, dass man dadurch die Ungerechtigkeit und den Unfrieden überlagern und schon gar nicht fühlen muss.
„Frieden ist doch aber auch ein Gefühl und nicht nur ein Zustand im Außen, oder?“
Aber da wir kein Produkt sind, sondern eben ein Mensch, der nun mal fühlt, so kommen wir um das Fühlen nicht drumherum. Frieden ist doch aber auch ein Gefühl und nicht nur ein Zustand im Außen, oder? Wenn wir davon ausgehen, dass Frieden eben auch ein Gefühl ist, so können wir uns doch ganz klar hier dran orientieren, ob wir für uns im Frieden sind. An unserem inneren Gefühl im Hier und Jetzt. Hier im Frieden mit sich selbst verankert sein trotz des Unfriedens im Außen. Und dazu gehört nicht nur eine große Portion Selbstakzeptanz, sondern auch eine große Portion Akzeptanz der äußeren Umstände. Damit meine ich, dass wir anerkennen müssen, dass wir zum Beispiel in einer kapitalistischen Welt leben, die damit gewissen marktwirtschaftlichen Kriterien unterliegt, denen auch wir dadurch unterliegen. Es hört sich beispielsweise immer schön an, die Berufung zum Beruf zu machen. Da bin auch ich stark dafür.
Doch hier nutzt es nichts mit der rosaroten Brille durch die Welt zu laufen und wenn etwas nicht klappt, das eigene Ich noch ein Stückchen mehr zu optimieren und noch besser zu machen, weil es dann klappen wird. Nein. Ich sage da ganz klar, nein, das ist nicht immer der Schlüssel zum Erfolg. Sehr oft können wir an uns arbeiten, reflektieren, optimieren, um unsere Ziele zu erreichen. Auf jeden Fall. Das sollten wir immer checken, ob wir und wenn ja, was wir noch tun können. Doch in einigen Fällen nützt eben all dies nichts. In diesen Fällen kommen wir durch aktives Tun nicht weiter. Hier sind eher akzeptieren, annehmen, fühlen, loslassen, vertrauen die Schlüssel, die wir brauchen.
So auch bei der Selbstoptimierung. Einerseits können wir uns durch unser aktives Tun selbst optimieren. Keine Frage. Wir können unsere mentalen Ansichten prüfen und neu ausrichten, wir können unsere Muster, Trigger, Absichten und Gewohnheiten aufspüren und nach und nach umprogrammieren, wir können unsere Komfortzone verlassen und vergrößern, wir können damit zu anderen Handlungen fähig werden. Wir können dadurch ein friedvoller(er) Mensch werden. Keine Frage. All das ist möglich! Doch auch hier gibt es eine Grenze. Welche und wann erkennen wir sie? Wann kippt meine Selbstoptimierung in ein für mich ungesundes Maß? Die letzte Frage gibt bereits Aufschluss über die Art der Grenze. Wenn wir einen gewissen Punkt überschreiten, dann fördert die Selbstoptimierung eben nicht das Beste in mir, nein, dann beginnt die Selbstzerstörung, nämlich der innere Unfrieden erneut.
„Wann kippt meine Selbstoptimierung in ein für mich ungesundes Maß?“
Wenn meine eigene Selbstoptimierung zum Muss wird, wenn ich mich selbst optimiere, um meine Gefühle nicht fühlen zu müssen, wenn ich mich selbst noch weiter optimiere, um den Unfrieden in der Welt ertragen zu können, dann kippt das Ganze und wird ungesund für das eigene Selbst. Selbstoptimierung funktioniert nur, wenn ich sie im Frieden mit mir lebe. Und dafür ist es unabdingbar, über gewisse Komfortzonen-Grenzen hinauszugehen, ja, doch zugleich die eigenen natürlichen Grenzen zu kennen und anzunehmen. Ebenso gehört dazu, die Welt, so wie sie eben ist, zu akzeptieren. Das heißt wiederum, dass ich mit mir im Frieden sein kann, auch wenn im Außen kein Frieden ist. Das sollte ich mir immer und immer wieder bewusst machen und vor allem in meinem Selbstoptimierungsprozess als oberstes Prinzip verankern.
Selbstoptimierung sollte im Frieden mit mir selbst vonstattengehen. Damit meine ich nun nicht, dass es bedeutet, dass wir in diesem Prozess keine Schmerzen fühlen werden oder alles Unangenehme umgehen sollten. Ganz und gar nicht. Denn auch das gehört dazu sowie die eigenen Ego-Kämpfe. Ich meine damit, dass wir in dem Prozess friedvoll mit uns umgehen sollten. Nichts erzwingen, nichts durch Druck forcieren, nichts tun, damit wir nicht fühlen müssen. Wenn wir in unserer Selbstoptimierung mit unserem Frieden Hand in Hand gehen, dann werden wir zum Autor unseres eigenen Lebens. Aber eben nur dann. Das hat für mich auch sehr viel mit dem Kennen meines eigenen Naturells zu tun sowie mit Liebe, Vergebung und Dankbarkeit. In diesem Sinne, peace, love and namaste.
PS: Unser neues Thema wird „Dankbarkeit“ sein.