Was haben wir lange nichts voneinander gehört! Mehr als vier Monate ist es nun her, dass ich meine Muse am Bahnhof von Kleinschirma vergessen habe. Aber nicht ihre Abwesenheit hat mich so lange nicht schreiben lassen. Andere Umstände waren’s. Vor allem dieser hier: Aus wir wurde ich. Plötzlich. Unerwartet. Hart. Und da wollte ich weinen, lachen, reden, schweigen, rauchen, trinken, shoppen, singen und alles machen, was mein Leben wieder schön werden lässt, aber schreiben, das wollte ich nicht. Kein Seelenstriptease bitte. Jedenfalls nicht online und offiziell. Stattdessen ein Programm, das keinen Platz gelassen hat für ruhige Nachmittage auf der Couch. Aber wir haben uns wieder. Nicht er und ich… Mein Sofa und ich. Mein Laptop liegt aufgeklappt auf meinen Schenkeln und die ersten Zeilen sind geschrieben. Siehste, Nadin, geht doch noch. Los jetzt!

Vorab: Ich war nicht untätig, sondern habe unfreiwillig Feldforschung betrieben. Daher: Solltet Ihr jetzt, da die Sommerparty für dieses Jahr endgültig vorbei ist, so ein klein wenig Stress ganz gut unterbringen können, dann habe ich hier zwei wirklich simple Mittel und Wege, die Euch erst mal ziemlich derb paniken lassen und dann ohne Umschweife in Stress münden. Also abgesehen von so ner plötzlichen Trennung. Die kann das noch besser. Aber die hat zu heftige Nebenwirkungen. Daher: Willste Stress, schmeiß weg! Zuerst Dein Portemonnaie, dann Dein neues iPhone 6.


Das Portemonnaie lässt sich zum Beispiel gut im Zug auf der Toilette vergessen. Da kann man dann wenige Minuten nach der Ankunft am Berliner Hauptbahnhof wunderbar zurück zum Gleis hetzen und feststellen, dass der Zug nicht mehr da ist, um sich schließlich bedröppelt zum Schwarzfahren in die Öffentlichen zu setzen, weil die Monatskarte ja in der Geldbörse steckt. So richtig klasse wird die Nummer mit dem Portemonnaie aber erst, wenn Du wirklich alles, was der Dokumentenschrank so hergibt, mit Dir rumschleppst. Also abgesehen von Kohle, EC-Karte, Bahncard, Monatskarte und Perso auch Deinen Führerschein, den Du einmal in zehn Jahren brauchst, Deine Videotheken-Karten, für den Fall, dass das Internet von jetzt auf gleich – Peng – weg ist, und selbstverständlich auch Deine Kreditkarte, die Du eigentlich nur fürs Online-Shopping verwendest. Aber wer weiß, vielleicht kommt der Tag, da Du auf die Tram wartest, Deine gesamten Facebook-Instagram-Twitter-Streams durchgescrollt und auch grad keinen Bock auf Bejeweled hast und fix was bei Hunkemöller bestellen willst, weil da grad jeder 3. BH gratis ist. Wäre dann ja doof, wenn Du Deine Kreditkarte nicht am Start hättest.

Auf das Gefühl der Panik folgte nun also das Thema dieser meiner Kolumne: Stress. Karten sperren lassen, Vermisstenmeldung bei der Bahn aufgeben und immer wieder nachhaken, Geld borgen, Bahncard-Ersatz beantragen und einen Termin beim Bürgeramt machen. Über den letzten Punkt ist hier in Berlin schon viel geschrieben worden. An dieser Stelle daher nur ein kurzer Rat: Ärgere Dich nicht, lieber (Neu-)Berliner, der Du einen Termin bei IRGENDEINEM der 500 Bürgerämter in dieser sonst wirklich wunderbaren Stadt machen möchtest, um einen neuen Perso, Pass oder Führerschein zu beantragen, und das Dokument Deiner Wahl erst dann bekommst, wenn der nächste Umzug ansteht, Du Dein Auto verkauft oder Deine Reise storniert hast. Dit is Berlin.


Ist vielleicht nicht gerade einfallsreich, aber das zweite Schmeiß-weg-Szenario spielt erneut auf einer Toilette. Was soll ich machen, so war’s nun mal. Meine Karten hatte ich noch nicht wieder allesamt im neuen Portemonnaie (blame it on the Bürgeramt (s.o.)), als ich die absolute Arschkarte zog: Auf der Toilette meiner Arbeit fiel mir mein wenige Wochen altes, wunderhübsches, spacegraues iPhone 6 aus meiner Arschtasche ins Klo. Aber mit Schmackes. Dieser Klassiker des digitalen Zeitalters ist ein Garant für Panik gefolgt von Stress.

Keine drei Sekunden lag das gute Stück im feuchten Nass, als ich es mit heruntergelassener Hose und weit aufgerissenen Augen aus dem Wasser fischte, trocken rubbelte und panisch darauf herumtippte. Es starb in meinen Händen. Ich konnte dabei zusehen, wie sich Streifen der Agonie auf seinem Bildschirm bildeten, bevor sich dieser dunkelschwarz färbte. Der wiederholte Versuch, es durch heftiges Drücken zurück ins Leben zu holen, bewirkte das genaue Gegenteil, wie mein Handydoktor Tage später diagnostizierte. Zuvor hatte ich Dr. Google konsultiert und mein iPhone 72h lang in Reis gebettet und luftdicht verschlossen. Aber sämtliche Ärzte und Hausmittelchen halfen nichts und plötzlich lag ich alleine im Bett, stand alleine in der Tram und musste alleine von A nach B finden. Keine permanente Ablenkung mit der Smartphone-Keule mehr. Und aufs Neue: Stress. Es musste möglichst schnell Ersatz gefunden werden, denn ohne Smartphone war die Wahrscheinlichkeit, dass ich aufm Lollapalooza verloren gehen würde, einfach zu hoch. Der erste Ersatz ließ sich nicht starten, weil das silberne SIM-Karten-Teil fehlte, und der zweite, den ich am Morgen vor dem Festival nach einer umfänglichen Stadtrundfahrt erleichtert in meinen Händen hielt, war leider auch mehr tot als lebendig – wie sich an Lollapalooza-Tag 1 herausstellte, als ich zwischen den Mighty Oaks und Hot Chip verloren ging.


Doch wie jedes Märchen geht auch dieses gut aus: Ich habe meine Mädels wiedergefunden und das Festival mit ohne Handy mehr genossen, als hätte ich ständig die Gelegenheit gehabt, auf Facebook oder Instagram zu posten, wie das da so ist aufm Tempelhofer Feld. Und jetzt, da ich sämtliche Karten wieder habe und ein neues, funktionstüchtiges Handy neben mir liegt, kann ich ja ausnahmsweise mal versuchen, irgendwas zu machen, das wirklich gut zur Jahreszeit passt und den Stresspegel senkt. Ich überleg mir was und dann lass’ ich Euch wissen, ob’s funktioniert hat, ja?