Ich denke, dass Dankbarkeit, zumindest wenn man wie die große Mehrheit von uns in einer Gesellschaft lebt und zwischenmenschliche Kontakte pflegt, entscheidend für ein glückliches Leben ist und damit einhergeht. Wenn uns etwas Positives widerfährt, sind wir dafür dankbar. Das logische Verhältnis zwischen Glück/Zufriedenheit einerseits und Dankbarkeit andererseits scheint dabei aber nicht klar: Führt Glück oder Zufriedenheit zu Dankbarkeit? Tritt alles zugleich auf? Oder führt nicht eher Dankbarkeit zu Glück und Zufriedenheit?
„Dankbarkeit und Zufriedenheit – Was führt zu was?“
Bevor ich weiter auf die Kausalitätsbeziehung eingehe, zunächst ein paar Bemerkungen zur Verwendung der Ausdrücke „Glück“ und „Zufriedenheit“: „Glück“ verwende ich im Folgenden für einzelne punktuelle positive Momente im Leben, also für Situationen, die wir auch oft als „Glücksmomente“ bezeichnen. Ich meine also nicht das Glück, im Lotto gewonnen zu haben – auch wenn dieses „Glück“ dazu führen kann, im hier verwendeten Sinne glücklich und zufrieden zu sein. Man nehme nur das eingangs erwähnte Beispiel, auf diesem Flecken der Erde geboren zu sein: Dies ist zunächst eine Art Lotterieglück, für das man aber durchaus dankbar und dann auch glücklich und zufrieden sein kann.
Zufriedenheit hingegen unterscheidet sich, wenn man dem gängigen Sprachgebrauch folgt, lediglich durch die Dauer. Zufriedenheit ist ein mehr oder minder dauerhafter positiver Zustand, der nicht so vergänglich oder augenblicksgebunden ist wie das Glück. Wenn man nun allgemein für das ganze Leben dankbar ist, geht dies nämlich eher mit einem Gefühl von Zufriedenheit einher. Wenn man also das Gefühl hat, bisher ein glückliches Leben geführt zu haben, und sich dieses Gefühls ganz bewusst wird, stellt sich ein großes Gefühl von Zufriedenheit und Dankbarkeit ein. Ob Zufriedenheit reduktionistisch einfach als Summe aller bisherigen einzelnen Glücksmomente eines Lebens verstanden werden kann und analog die allgemeine Dankbarkeit als Summe aller konkreten Einzelhandlungen oder Situationen, für die man dankbar ist, oder ob dem doch noch etwas hinzukommt, sich Zufriedenheit und allgemeine Dankbarkeit also nicht darin erschöpfen, soll hier nicht näher nachgegangen werden. Grob gesagt scheinen mir Zufriedenheit wie auch allgemeine Dankbarkeit eher der eigene Blick auf die einzelnen Glücks- und Dankbarkeitsmomente zu sein und damit eine Art Metaebene darzustellen. Ich erkenne sozusagen all die einzelnen glücklichen Ereignisse in meinem bisherigen Leben, für die ich dankbar bin, und aufgrund dieses Bewusstseins stellen sich dann allgemeine Dankbarkeit und Zufriedenheit ein.
Vielleicht kann man sagen, dass der nun bereits oft erwähnte Geisteszustand von Aufmerksamkeit, Bewusstheit oder Wachheit notwendig ist, um glücklich oder zufrieden zu sein, denn wenn man sich seines Glücks nicht bewusst ist, ist man meiner Meinung nach auch nicht glücklich. Glück wäre somit nicht einfach ein objektiv gesehen positives Ereignis im Leben, sondern ein positives Erlebnis, in dem Sinne, dass man sich des positiven Ereignisses bewusst ist. Wenn man jetzt das Verhältnis zur Dankbarkeit festmachen will, so scheint es mir so zu sein, dass Glück/Zufriedenheit direkt mit der Dankbarkeit einhergehen und nicht scharf von ihr zu trennen sind. Das zeigen Beispiele konkreter wie allgemeiner Situationen: Wenn mir jemand im Alltag hilft, bin ich zugleich glücklich und dankbar dieser Person gegenüber. Wenn ich insgesamt zufrieden bin mit meinem Leben, bin ich auch dankbar – mir selbst gegenüber, mir wichtigen Menschen, für bestimmte Situationen und Lebensumstände,…
„Muss ich für Dankbarkeit selbst etwas leisten?“
Daran anschließend könnte man nun fragen, ob für Dankbarkeit – und damit verbunden auch für Glück oder Zufriedenheit – jemand oder etwas oder auch ich selbst etwas leisten muss. Auch hier ist es sinnvoll, zwischen konkreten Situationen und der beschriebenen allgemeineren Art von Dankbarkeit zu trennen. In einer konkreten Situation ist es noch eher der Fall, dass man für bestimmte Leistungen dankbar ist, wie z. B., wenn einem beim Umzug geholfen wird. Was aber die umfassendere Dankbarkeit betrifft, muss und sollte man nicht darauf warten, dass andere etwas leisten, damit man selbst glücklich und damit auch dankbar für sein Leben sein kann. Zumindest solange man sich nicht in einer existenzbedrohenden oder anderweitig schlimmen Extremsituation befindet, kommt es eher darauf an, das Gute zu sehen, für das man jeden Tag dankbar sein kann – was natürlich nicht unbedingt einfach ist, wenn man bedenkt, wie oft allein die Gesellschaft uns auf unsere Fehler und Imperfektion aufmerksam macht. Aber wenn man das einmal wirklich versucht, fällt einem doch auf, für wieviele Dinge oder Personen wir dankbar sein können.
„Dankbar – und jetzt?“
Mit der Dankbarkeit ist es aber nicht zu Ende. Dieses Gefühl selbst scheint uns nämlich zu positiven Handlungen anzutreiben oder hat zumindest das Potential dazu. Aus einem großen Gefühl von Dankbarkeit – sei sie konkret oder allgemein – entsteht oft der Antrieb oder die Motivation, das Gute, das einem selbst widerfahren ist, weiterzugeben. Und durch die positiven Handlungen entsteht dann wieder (konkrete) Dankbarkeit im Gegenüber, sodass man von einer Art Kettenreaktion sprechen kann. Allerdings sollte man dabei nicht immer Dankbarkeit oder überhaupt eine positive Reaktion erwarten, da es selbstverständlich Situationen gibt, in denen man noch so freundlich sein kann und das Gegenüber dies dennoch nicht annimmt oder wertschätzt. Wenn man aber aus dem beschriebenen Drang handelt, der von echter Dankbarkeit ausgelöst wird, dann ist das auch nicht wirklich bedeutend. Es mag zwar schade sein, dass die gute Handlung nicht immer anerkannt wird, aber das sollte und wird einen, wenn die Motivation aus Dankbarkeit gespeist wird, ohnehin nicht davon abhalten, weiter Gutes zu tun.