Gerade wenn man wieder einmal die Nase gestrichen voll hat von Istanbul, den Hupkonzerten, den fehlenden Bürgersteigen und den Mopedfahrern in der Fußgängerzone, grätscht ein Zitat wie dieses dazwischen. Dann macht auf einmal alles Sinn: Die 20-minütige Überfahrt per Fähre auf die andere Seite, auf einen anderen Kontinent, die Tram, die sich am Fernbahnhof Sirkeci und der Blauen Moschee vorbeischlängelt oder die Metro, die wie aus dem Nichts mit der Dunkelheit bricht und den Blick auf das Goldene Horn freigibt. Momente, die nicht im Großstadtrauschen des „von A nach B Bewegens“ versinken, sondern sich wie scharfe Paprikaflocken (pul biber) in mein Gedächtnis brennen. Nach jeder Fahrt stehe ich plötzlich leicht verstört in den Gassen Istanbuls, liebestrunken, weil ich wieder mal von einem der schönsten Ausblicke der Stadt kosten durfte, gänzlich unbeeindruckt von Verkehrschaos und infrastrukturellen Fehlplanungen. Die inneren Spiegelmosaike der Selbstreflexion noch immer in tanzender Bewegung durch den Aufwind der vorbeiziehenden Panoramas. Neue Gedanken, ein inneres Zwiegespräch jenseits dessen was betörender Granatapfelsirup (nar ekşisi) in der Luft und sommerlicher Schweiß auf der Haut vermuten lassen, während vor mir wahlweise die Fähren weiter im Ballett fahren oder Miniatur-Touristen zwischen den Fenstern des Galataturms aufblitzen. Istanbul übertrumpft sich wie immer selbst. Nie ist die alte Dame am Bosporus Zwischenstopp, nie das Ziel, stets Teil der eigentlichen Reise.