Seit 3 Stunden liege ich wach. Ich liege wach und denke nach – über alles und jeden. Meine Hände sind kalt, mein Körper unruhig. Er arbeitet gegen mich – gegen mein Herz, meinen Verstand, gegen alles was die Natur vorschreibt. Selbst meine Augen, sie schmerzen vor Müdigkeit.

Was passiert hier? Bin ich nun glücklich oder nicht? Ich weiß es nicht. Egal – todschweigen und weiter. Nein, wohl doch nicht. Mein Herz rast zu schnell – es rast davon. Mal wieder. Ich fasse mir an die Brust, folge dem Klopfen und lausche der inneren Stimme: „Norman, was ist es diesmal? Welche Sinnlosigkeit ist heute dran? Job? Privatleben? Hat mal wieder irgendwer was gesagt oder nur rattig? Und warst du überhaupt beim Sport?“

Fakt ist, mein Unterbewusstsein und ich verstehen uns nicht gut – vor allem nachts. Es führt mir in regelmäßigen Abständen vor Augen was Liebster, Freunde und Familie täglich schlau von sich geben: Allesamt denken sie, ich mute mir zu viel zu. Ich wolle immer zu viel. Von allem.

Doch stimmt das – nur bedingt. Für alle jene, die mich noch nicht kennen, wäre es jetzt vielleicht nicht schlecht zu wissen, wer hier fröhlich sein bescheidenes Inneres auf die Tastatur erbricht. Ich bin Norman Röhlig, ein Wahlberliner, der vor nunmehr 13 Jahren aus Sachsen daherkam um die Berliner Avantgarde zu joinen. Heute arbeite ich in den Medien – war definitiv nicht geplant, doch so ist das jetzt und auch gut so. Vor drei Jahren, bald vier, habe ich die 30 überschritten. Keine Ahnung warum ich das erwähne, doch will ich so viele Schubladen wie möglich bieten, sodass ihr früh genug euer Urteil fällen könnt. Das mögen die Menschen doch so gerne – gerade heute.

Also wo stehen wir jetzt? Männlich. Über 30. Sachse. Medien. Na das ist doch schon mal was: Ein Typ aus Sachsen. Spricht von Avantgarde und daddelt in den Medien rum. Für den Anfang reicht das den Meisten. Allein meine Herkunft ist für viele ohnehin bereits ein rauschender Erguss weit bevor ich den ersten Satz überhaupt beendet habe. Abgesehen davon ist die Berliner Avantgarde doch längst Tod. Also wovon rede ich da?

Obendrauf noch die Cocktailkirsche: Ich bin nicht nur ein Sachse. Ich bin ein schwuler Sachse. Über dreißig. Soll heißen, ich schlafe mit dem gleichen Geschlecht. Eigentlich kein Thema, der ein oder anderen homophoben Schweinebacke schwillt jetzt dennoch der Kam. Und warum müssen die Schwulen ihr Schwulsein immer so zum Thema machen? Na weil wir sonst nichts zu erzählen haben. Ist doch klar. Wo es uns doch so gut geht. Jetzt, wo wir doch fast heiraten dürfen. Und wer will schon nach Russland? Aufregend ist das!

Was gibt’s noch? Stimmt, auch davon erzähle ich gerne: Mein Leben in Berlin. Dies ist, solltet ihr aufmerksam mitgelesen haben, bereits im 13. Lebensjahr. Das ist ’ne Menge Hauptstadt: Es begann mit den Hoffnungen Anfang zwanzig und fand seinen ersten Tiefpunkt im kompletten Drama Mitte Zwanzig, als die Frage aufkam, wie ich mit dem Erwachsenwerden nun umgehen soll. Dazu kommt, dass ich zu jener Fraktion an Ex-Partyschnauzen gehöre, die noch heute vom alten Cookies in der Dorotheenstraße labern. Da gab’s nämlich dieses Klo, dieses unfassbar geile Unisex Klo. Dort haben wir immer getanzt und waren wild. Immer Dienstags und Donnerstags – drei Jahre lang. Einmal sogar mit Kate Moss beim Testino Geburtstag und Walter, dem Drogenlieferant. Krass. Krass. Drum zollt Respekt und nervt mich nicht mit euren traurigen Berghaingeschichten. Wir hatten schließlich dieses Klo.

Danach ging alles ganz fix: Als ich die Uni, die schon zu nichts führte bevor ich sie beendete, verließ, startete in Berlin eine neue Welt. Die Welt der Arbeit. Ich konnte nichts. Zumindest dachte ich das. Während andere fröhliche Kekse stapelten, die nicht vorhandenen Schauspiel- und Modelkarrieren planten oder den Hoffnungsschimmer am Startup Himmel witterten, saß ich mehr oder minder halb attraktiv in der Mitte des Sujets und fühlte mich für alles mögliche geeignet.

Dann geschah das Wunder: Zum ersten Mal in der Geschichte meines komplexbeladenen 26-jährigen Daseins, sprach mir eine Person, mein damaliger Schreib-Dozent, ein Talent zu: “Norman, du hast ein ziemlich gutes Gefühl für Inhalte, da solltest du dran bleiben!“ Bis jetzt ist ihm wohl nicht bewusst, welche Kehrtwende er damit vom Zaun brach.

Der Gnadenstoß meines Lebens: Perfekt getimed, zum Einbruch der deutschen Medienlandschaft, stand ich vorm Tor der digitalen Welt und wusste erstmals was ich will. „Ich will Medien machen“. Schon abgefahren, 8 Jahre ist das jetzt her. Heute bin ich Inhaber einer Media-Agentur, Herausgeber dieser tollen Plattform, habe obendrein die Welt bereist und führe ein recht „abenteuerliches Leben“. Zumindest sagt das meine Mama immer.

Doch bleiben wir beim Thema. Warum erzähle ich das? Nun, wenn viel passiert, wird viel nachgedacht. Klar. So ist das wohl bei jedem. Was aber wenn man zu viel denkt, man zum gnadenlosen Denker verkommt und dabei die Nacht zum Tag wird. Wenn Tagein-Tagaus zu viel unbeantwortet bleibt und ein Labyrinth aus „Allem und Nichts“ den Schlaf raubt. Ernsthaft, liebe Leser, was dann?

Insomnia. In den kommenden Monaten widme ich diese Kolumne einem Wort. Zeilen, die mir helfen sollen, die kreisenden Gedanken der Nacht besser zu verstehen, Fragen zu stellen und loszulassen. Doch vor allem um einen Raum zu finden, der den Mut verspricht, ehrlich auszusprechen was mir jenseits von 00:00 Uhr durch den Kopf geht, wenngleich ich tagsüber wohl wieder das Gegenteil behaupte. Den Loser ‚mach ich schließlich nur nachts. Ist doch klar.

#INSOMNIA - Mein Leben nach Mitternacht
Der Autor dieser Kolumne ist bekannt, es ist Norman, der Kopf hinter i-ref. Was jedoch wenige wissen: Norman schläft sehr schlecht. Und das seit Jahren. Weil um Mitternacht alles hereinbricht. Der gesamte Tag! #INSOMNIA soll helfen, die kreisenden Gedanken in der Dunkelheit besser zu verstehen, Fragen zu stellen und loszulassen – wenngleich im Tageslicht mal wieder alles anders zu sein scheint.