DIE WELT BRAUCHT NICHT UNS! WIR BRAUCHEN SIE

Es ist 10:00 Uhr in der Früh, kein Nebel in Sicht. Am Fenster klopft die Sonne und vor der Tür die Mädels. Heute geht’s nicht auf den Berg, sondern rüber nach Meran. Wenigstens einmal will ich der kleinen Gang auch die Stadt zeigen, bevor die Packerei erneut beginnt.

Vier Tage waren so schnell vorbei. Im Auto läuft Florence + the Machine. Hanni sitzt heute vorn. Tagelang die Serpentinen rauf und runter haben der kleinen Maus zugesetzt, drum spielt die Prinzessin heute Beifahrerin und Onkel Norman hält die Füße still. Im Schritttempo schleichen wir in die Kurstadt.

Circa eine Stunde dauert die Fahrt. Durch x Dörfer entlang des Ultentals erreichen wir nach 40 Minuten Lana. „Guck mal, Himmel im Tal!“ – schreit Hanni, grinst übers ganze Gesicht und traut ihren Augen kaum. Die Wolken der vergangen Tage haben den Gipfel verlassen und hüllen die komplette Stadt ein wie ein riesiger Wattebausch. Alles strahlt. Nicht nur die Natur, auch die Gesichter.

Ich halte an. Ein Foto muss her! „Dokumentieren vor konsumieren“ wurde über Jahre als Reisender mein absolutes Credo. Momente wie diese muss ich festhalten, nicht nur im Herzen sondern auch für die Nachwelt. Ich steige aus, laufe die Kurve ab und fokussiere die rechte Perspektive mit der Kamera. Es riecht fantastisch. Perfektion und Schönheit pur – direkt vor unseren Augen.

Im Auto läuft „You’ve Got The Love!“ und vermischt sich mit den Klängen der Natur. Es gibt keine Fragen mehr. Die Zeit steht still. Pures Gold soweit das Auge reicht. Es sind Augenblicke wie diese, die mich seit Jahren antreiben. Sie treiben mich an und motivieren. Ich atme tief durch. Mehrmals. Inhaliere so viel ich kann – von allem. In Gedanken singe ich mit: YOU-VE-GOT-THE-LOVE.

„Kommst du?“, ruft es vom Beifahrersitz. Und ich denke nur: „Wenn der Tag so startet, brauche ich keine Überraschungen mehr.“ Benommen von der schönen Welt, fahren wir weiter Richtung Meran. Es ist der letzte Tag. Was wollen wir machen? Lasst uns einfach bummeln. Ja. Bummeln ist toll. Hand in Hand die Laubengasse runter und dann Lunch im Pur Südtirol.

Oh man, die Küche Südtirols – noch so ein Kapitel. Erst gestern Abend lauschte ich dem Nachbar im Restaurant: „Südtirol schmeckt man!“, sagte er zu seiner Frau. Wie Recht er hat. Ein nahezu perfekter Satz, für diese schier endlose Genusskultur südlich der Alpen.

Und glaubt mir liebe Leser, ich habe bereits so manchen Schlemmertempel rund um den Globus leer gefuttert. Doch nirgends schmeckt es so wie hier. Gute Küche ist kein Luxus in Südtirol, sie ist Teil der Kultur. Kultur + Herz.

Wir spazieren weiter. Bevor die Sonne untergeht will ich den Mädels noch die Villen am Tappeinerweg zeigen. Entlang der Meraner Promenade rutschte mir schon mehrmals das Herz in die Hose. Egal zu welcher Jahreszeit. Zu schön das Ganze. Mit dieser Stadt, so viel steht fest, werde ich alt.

Ein letztes Mal kehren wir ein, ein letzter Kaffee, ein letztes Foto, dann verabschieden wir uns. „Müssen wir wirklich schon abreisen, Onkel Norman?“ fragt die Prinzessin. „Ja. Müssen wir! Aber weißt du was Hanni? Was heißt denn schon abreisen?“

Auf bald Meran. Du hast drei neue Fans.

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