Die meisten von uns kennen wahrscheinlich das Gefühl, wenn alles nur noch schwarz scheint im Leben und hoffnungslos – nicht im Sinne einer echten Depression, sondern als zeitweiliger Zustand, der einen runterzieht. Das kann zu jedem Zeitpunkt passieren, z. B. wenn einen die täglichen schlechten Nachrichten überwältigen oder ganz einfach an Tagen, an denen man sensibler ist und viel mehr von äußeren Eindrücken getroffen wird und diese ungefiltert ins eigene seelische Innere dringen können. Der entscheidende Punkt hier ist aber die Dauer: Das Gefühl kann anhalten, wird aber wohl nicht für immer unser Gemüt verdunkeln, auch wenn es sich sicherlich in dem Moment so anfühlt. Wie wir uns an Freude und Glück nicht festhalten können und diese einfach einen der unzähligen Augenblicke des Lebens ausmachen, so ist es auch mit allen anderen Emotionen, darunter auch der Weltschmerz.


Das Leben ist eben nicht weiß oder schwarz, sondern voller Schattierungen.


Es mag sein, dass uns dieses Gefühl in unserer heutigen Zeit stärker trifft, weil es leichter scheint, all die schrecklichen Dinge auf der Welt zu registrieren; Zeitungen und Nachrichtensender sind nur ein Beispiel dafür. Trotz dieses starken negativen Inputs sollten wir aber nicht vergessen, dass es ebenso viele wunderschöne Momente gibt, für die es sich zu leben lohnt. Das Leben ist eben nicht weiß oder schwarz, sondern voller Schattierungen. Es kann sein, dass wir erst wieder lernen müssen, ein Gefühl für die schönen Seiten des Lebens zu bekommen, gerade wenn wir uns in einer Weltschmerz-Phase befinden. Das kann aber durchaus trainiert werden, mir persönlich helfen dabei Meditation und Yoga. Dadurch wird man sich nicht nur des eigenen Innenlebens bewusster und kann so leichter eine Distanz zwischen dem Gefühl und dem eigenen Ich schaffen, sodass man nicht mehr zulässt, dass einen Hoffnungslosigkeit und Weltschmerz völlig übermannen und man in eine Abwärtsspirale gerät. Der Weltschmerz ist auch nur ein Gefühl zwischen unzähligen anderen und kommt und geht wie Freude und Wut und Trauer undundund…

Außerdem wird man sich mehr des jetzigen Augenblicks bewusst und genau das ist es, was bei mir den Weltschmerz in den meisten Fällen wirklich schnell verschwinden lässt. Es kann sein, dass ich im einen Augenblick völlig fertig bin von all dem Leid auf der Welt, das mir durch verschiedene Kanäle mitgeteilt wird. Im nächsten Augenblick widme ich mich aber einer anderen, vielleicht ganz alltäglichen Sache wie dem Zubereiten des Mittagessens, bin aber davon so eingenommen, dass das vorherige Gefühl nicht mehr andauert und von einem anderen abgelöst wird. Das heißt nicht, dass ich im einen Moment mit allen Menschen Mitleid empfinde und mir im nächsten Moment alle egal sind; nur die Aufmerksamkeit ist auf eine andere Sache gelenkt. Wenn das nicht so wäre, könnte ich wohl vor lauter Weltschmerz nicht einmal mehr den einfachsten Aufgaben nachgehen und wäre völlig handlungsunfähig und gelähmt angesichts all des Leids auf der Welt.

Was auch – zumindest theoretisch – helfen kann, ist eine Einteilung der Dinge in der Welt, die schon die Stoiker aufgestellt haben: in Dinge, die in unserer Macht stehen, und Dinge, die außerhalb unserer Macht, also außerhalb unseres Einflussbereiches liegen. Um letztere lohnt es sich nicht, sich Sorgen zu machen, da wir ohnehin nichts an ihnen ändern können. Wenn wir dies auf das Leid in der Welt anwenden, lohnt es sich also zu fragen, ob wir in dem konkreten Fall überhaupt helfen können. Wenn dies wirklich der Fall sein sollte, stellt sich die Frage des Wie und der eigenen Kräfteeinteilung. Wenn wir in zu vielen Fällen theoretisch helfen können, müssen wir darauf achten, wie viel wir praktisch wirklich umsetzen können und wollen, ohne uns bis zur Erschöpfung zu verausgaben. Ein psychisch völlig erschöpfter Mensch ist auch keine Hilfe mehr. Ich schätze, wenn es uns gleichzeitig noch Spaß macht und erfüllt, ist das richtige Maß an Hilfe erbracht.


Es gehört zum Leben dazu und wenn es da ist, dann ist es eben da und ich versuche das zu akzeptieren, ohne davor wegzulaufen.


Das hier soll allerdings keine Anleitung sein, wie man dem Weltschmerz entgeht oder ihn vermeidet. Erstens glaube ich nicht, dass ich das allgemein für andere Menschen zeigen kann, und zweitens will ich das Gefühl auch gar nicht prinzipiell vermeiden. Es gehört zum Leben dazu und wenn es da ist, dann ist es eben da und ich versuche das zu akzeptieren, ohne davor wegzulaufen – auch wenn dies natürlich nicht immer funktionieren wird. Mir helfen beim Umgang damit die oben genannten Dinge, aber diese sind mit Sicherheit individuell verschieden und können beliebig erweitert werden.

So sehr mir all diese Dinge aber auch helfen mögen, so ist der für mich wichtigste Faktor bis jetzt noch nicht genannt worden: der Einfluss geliebter Menschen und anderer Lebewesen. Wenn man sich in einer Phase befindet, in der man nur noch alles sinnlos und schrecklich findet, ist es natürlich eine große Hilfe, sich anderen Menschen anzuvertrauen und vermutlich zu entdecken, dass man gar nicht so allein ist mit diesem Gefühl in unserer heutigen Zeit. Allein das scheint es schon etwas abzumildern. Darüber hinaus hilft Dankbarkeit gegen ein Gefühl der Verlassenheit und des Weltschmerzes. Man kann aktiv darüber nachdenken, wofür man dankbar ist und bei mir spielt dort die Liebe eine wichtige Rolle, die einem Familie, Freunde oder Partner/in und auch tolle nicht-menschliche Lebensformen entgegenbringen. Allein das ist doch Grund genug, um nicht aufzugeben und sich nicht all der Negativität hinzugeben. Die Negativität annehmen und vielleicht auch ein bisschen in ihr verweilen, aber ohne dabei alle Lebenslust zu verlieren – das scheint mir ein angebrachter Umgang mit dem Weltschmerz. Im besten Falle führt dieses für uns negative Gefühl zu positiven Veränderungen in unseren täglichen Handlungen, die die Welt ein bisschen besser machen.

#lebenkunst4null
#lebenskunst4null ist eine fortlaufende Kolumne auf i-ref.de, in der euch vier Philosophen mit auf die Reise durch ihre Gedanken-und Gefühlswelt zum Thema Leben im 21. Jahrhundert nehmen.