Ich habe eine lange Reise hinter mir, komme gerade aus Südafrika wieder. Die Reise war sehr wichtig für mich, ich habe einen meiner größten Herzensmenschen besucht, der gerade dort lebt. Ein Herzensmensch von ihr war auch dort – und so sind aus uns in kurzer Zeit drei Herzensmenschen geworden. In dieser Kombi sind wir für 5 Tage in Wüste, auf das AfrikaBurn Festival. Es hat alles gestimmt in dieser Zeit, so viel Harmonie überwältigt mich bis jetzt.
Ich habe schon Einiges gesehen, dennoch war diese eine der einschneidensten, tiefgreifendsten und bewegendsten Reisen, die ich in meinem jungen Alter und bisher gemacht habe. Mehr dazu aber an einer anderen Stelle. Ich sitze, als ich diesen Text beginne zu schreiben, im Terminal 5 am Flughafen London-Heathrow, hatte den ganzen Tag Aufenthalt hier, traf den einen Herzensmensch aus Südafrika noch auf einen Kaffee, habe mich in den Hyde Park gelegt und mein Gesicht für gute 3 Stunden in die Sonne gehalten, Schwäne beobachtet und mich dann zurück zum Flughafen gemacht, wo ich auf meinem Flieger warte, der mich zurück nach Berlin tragen wird.
Per Zufall treffe ich auch hier, im Terminal 5, einen tollen und gut befreundeten Mensch und wir fangen an, uns über Südafrika, über Kapstadt, über Berlin, über Coolness und Szene und Freundschaft zu unterhalten. Er hat dort gelebt und ist genau so verknallt in die Stadt zwischen Tafelberg und Atlantik, wie ich. Auch er lebt in Berlin und irgendwie haben wir ähnliche Gedanken. Wie das so ist, in dieser Zeit „in between“ auf Reisen, ist man immer leicht melancholisch, sentimental, bewegt. Man hört die Musik, die die Reise durchgehend begleitet und bereichert hat, ein kleiner Schauer läuft einem immer mal wieder über den Rücken, oder es zuckt einem kurz durch den ganzen Körper – beim Gedanken an den ein- oder anderen Augenblick.
Anders als sonst habe ich mich diesmal nicht so sehr wieder auf Berlin gefreut, wie ich es sonst eigentlich immer tue – und ich habe angefangen, darüber nachzudenken, warum.
Die Reise nach Kapstadt hat einen kleinen Schalter umgelegt und meine Gedanken in ganz schön heftige Schwingungen versetzt – über das Wahre, das Wesentliche, Ehrlichkeit, Coolness. Ich will nicht sagen, dass ich alles anders sehe als vorher oder in irgendeiner Weise ein anderer Mensch bin, aber dennoch hat es mich geschliffen, an meiner Persönlichkeit gefeilt und, so doof das klingt, meine Gedanken gewissermaßen gereinigt, von dem Schmutz der sich hier ansammelt in einer Welt, in der die Oberfläche immer fetter wird.
Ich habe in Südafrika so tolle Gespräche geführt, mit Menschen die ich überhaupt nicht kannte. Es hat überhaupt keine Rolle gespielt, wer man war, woher man kommt, was man macht oder wie viel man hat. Das Einzige, was eine Rolle gespielt hat, war die Geschichte des Anderen und der Text zwischen den Zeilen, den man für sich daraus lesen konnte, auf sein eigenes Leben projizieren und in die eigene Realität mitnehmen konnte. Für mich ist wahre Coolness ein Zeichen von Offenheit anderen Menschen gegenüber, die Neugier nach Geschichten und Persönlichkeiten, die dich bereichern. Und die Ehrlichkeit, Leuten mit denen es nicht funktioniert, nichts vorzugaukeln. Und damit sind wir an Berlins Schwachstelle.
Hier herrscht die allgemeine Überzeugung, dass Coolness etwas mit höllischer Arroganz und purem Desinteresse zu tun haben muss. Die Coolness wird hier im wortwörtlichen Sinn zelebriert, die dann zu völlig unterkühlten Begegnungen führt, die dir sofort vermitteln, dass du für dein Gegenüber eigentlich völlig uninteressant bist. Aber sobald das Gegenüber dann mitbekommt, wer du bist, was du machst, mit wem du dich abgibst und wo du vielleicht auch schon überall warst, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du als „cool“ eingestuft wirst, ganz schnell exponentiell an. Wenn du dann auch noch Reichweite hast, dann hast du’s eh geschafft.
Ich habe mal einen Text von Simmel gelesen, der mir gelehrt hat, dass es wichtig und vollkommen normal ist, einen Selbstschutzmechanismus zu entwickeln. In einer Stadt wie Berlin, Sintfluten von Bildern, Menschen und Eindrücken, muss man selektieren. Das ist vollkommen ok, ich mache das auch. Aber ich mache das aktiv, nicht aus einer reinen Grundhaltung heraus, ich mache das nicht zu einer meiner Charktereigenschaften. Weil ich das ganz schrecklich finde, wie manche sich Anderen gegenüber verhalten, so schrecklich, dass ich mich manchmal fremdschäme – und immer spielt sich das Ganze unter dem Deckmantel der Coolness ab.
Um das Ganze abzuschließen – ich will kein Pauschalurteil über die Gesamtheit der Berliner Szene machen, aber das oben beschriebene Bild der „Coolness“ ist eines, das mir in meiner Welt und meinem Radius immer wieder begegnet. Vielleicht etwas verschärft durch die bewegende Erfahrung in Südafrika. Ich finde es toll und unglaublich wichtig, dass wir uns wieder mehr für Menschen begeistern. Nicht nur für die Stars im Medienhimmel, sondern die, die dir in der Gegenwart begegnen. Das Miteinander ist das größte Gut, das wir haben und die größte Bereicherung sind Begegnugen, die uns in Erinnerung bleiben. In diesem Sinne: Keep cool, people.
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Titelbild: Tessa Riemeier (Herzensmensch)