Noch bis vor ein paar Jahren ist einem ersten Date der folgende Ablauf vorausgegangen: Jemand hatte gefragt und ein anderer jemand hatte daraufhin einer Verabredung zugestimmt. Heute ist das alles ein bisschen komplizierter geworden: Erste Treffen werden oft zwischen zwei Telefonen getroffen, dabei kann man erbarmungslos direkt sein: Von der schellen Nummer, bis zum unkomplizierten Seitensprung, alles ist möglich und lässt sich dabei auch noch ganz bequem vom Sofa aus organisieren. Fakt ist, Dating Apps revolutionieren gerade unser Liebesleben und wir können dabei den persönlichen Aufwand auch noch faszinierend gering halten.

Doch auch wenn unsere Generation oftmals als beziehungsunfähig und oberflächlich betitelt wird, fallen die Meinungen weit auseinander: Die einen matchen, flirten und arrangieren tagtäglich neue Treffen, während die anderen den Apps für das ja doch meist eher kurze Vergnügen kritisch gegenüber stehen. Sie wollen nicht daraus vertrauen, dass das große Glück – oder auch nur der nächsten One-Night-Stand – wie von den Apps gerne suggeriert wird, nur einen Klick entfernt ist und schauen sich ganz ohne anonymes Flirten lieber im echten Leben um…


Martin, 25, Berlin: In erster Linie führt mich Tinder mit Mädchen skandinavischer Herkunft zusammen. Meine Freunde sprechen deshalb mittlerweile von einem Komplex, da 2 von 3 Matches ursprünglich aus nördlicheren Gefilden stammen. Das ist wunderbar, da ich jetzt nicht nur all die hübschen Schwedinnen in Berlin kenne, sondern auch meine letzte Beziehung (wenn man das so nennen kann) über Tinder kennengelernt habe und diese Erfahrung keinesfalls missen möchte. Seit einigen Monaten gibt es allerdings keine blonden Matches mehr – Sollte ich Tinder deinstallieren oder diesen Sommer einfach mal in noch unbekanntes Terrain fliegen? Vielleicht ja nach Norwegen oder Island? Anyway, mein Sommerurlaub in Schweden ist jedenfalls schon gebucht.

Steffi, 23, Berlin: Nach dem Download benutze ich die grell-orangene App mindestens ein Jahr lang ausschließlich, um Menschen in meiner Umgebung zu stalken und das ein oder andere meist stumpfsinnige Chatgespräch zu führen. Schließlich entschloss ich mich doch dazu, eines meiner Matches zu treffen – schon in den ersten Minuten des Treffens sollte sich jedoch herausstellen, dass der Typ eher auf der Suche nach einer besten Freundin war. Glücklicherweise schien ich bei allen weiteren Tinderdates immer mehr oder weniger Glück gehabt zu haben. Natürlich lag das auch daran, dass ich meine Matches von Anfang an sorgfältig ausgewählt und aussortiert hatte. Erschreckend, wie viel man doch über einen Menschen allein über seine Eigendarstellung auf 1-5 Fotos und einem optionalen Beschreibungstext herauslesen kann (ich habe generell nie jemanden geliket, der einen Beschreibungstext in seinem Profil stehen hatte). Meistens lief das erste Treffen dann auf eine hauptsächlich körperliche Beziehung unter „Freunden“ hinaus, welche meist zwischen 1 und 5 Monaten anhielten, doch nie zu etwas wirklich Ernstem wurden. Letzten Sommer hatte ich nach 3 Jahren Single-Dasein dann endgültig genug von den ganzen lockeren Geschichten und löschte Tinder von meinem Handy. 2 Wochen später sprach mich mein jetziger Freund auf der Straße an…

Julika, 25, Berlin: Ein altes Sprichwort sagt: ‚Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was Bessres findet.’ Nie ist dieser Satz wohl so aktuell gewesen wie heutzutage: Ständig versuchen wir unser Leben noch weiter zu verbessern und mit diesem Optimierungswahn machen wir selbstverständlich auch vor unserem Liebesleben nicht halt. Selbst in Partnerschaften sind viele von uns noch immer auf der Suche, weil sie der Gedanke einfach nicht loslässt, dass da draußen jemand ist, der noch besser zu ihnen passen könnte. Noch mehr Seelenverwandtschaft, noch mehr Abendteuer, eine noch tiefere Verbindung. Und die vielen Dating-Apps dieser Welt machen es uns ja so schön leicht. Mit einem Wisch nach links die unpassenden Angebote aussortiert, Wisch nach rechts und es könnte zum Match kommen. In einer möglichst kurzen Zeitspanne (Hunderte in einer Stunde sind ja möglich!) bekommt man so potentielle Dates präsentiert. Man muss also nicht mehr länger ziellos durchs Leben stolpern, denn der Zufall wird durch diese Apps eliminiert. Für mich ist das nichts. Ich möchte mein Liebesleben nicht davon abhängig machen, ob der Matching-Algorithmus meiner Dating-Apps richtig programmiert ist und so darauf vertrauen, dass Tinder & Co. die richtigen Partner für mich ausspucken. Ich habe mein Leben lang auf mein Glück, Schicksal und vielleicht auch auf meine Intuition vertraut, dass die richtigen Menschen meinen Weg kreuzen werden und so zu mir finden.

Laura, 23, Berlin: Mit Dating-Apps kenne ich mich ungefähr genau so gut aus, wie mit der chemischen Zusammensetzung von Bubbles im Bubble-Tea. Da ich Bubble-Tea schon immer ganz schön eklig fand, bedeutet das: so circa gar nicht. Ich habe eine romantische, zugegebenermaßen vielleicht etwas romantisierte Vorstellung vom gegenseitigen Kennenlernen und vielleicht auch von der Liebe auf den ersten Blick. Das Bild in meinem Kopf, die Liebe oder einen inspirierenden Mensch, im realen, konkreten, ja greifbaren Leben kennenzulernen, kann und möchte ich nicht ins Virtuelle transferieren. Damit verliert es gewissermaßen an dieser bestimmten und besonderen Spannung, die durch Sinne entsteht und die für mich das Fundament einer Beziehung sind. Ich habe und hatte deshalb bisher nicht den Hauch einer Neigung, mich bei Dating-Portalen anzumelden. Der Gedanke, dass Menschen mein Gesicht auf Dating-Plattformen sehen, sich darüber Gedanken machen und mich (rein nach meinen demographischen Aspekten) beurteilen, ohne mich zu kennen – auf „next“ swipen, gefällt mir nicht. Möglicherweise hat das mit einem Schamgefühl zu tun, das kann möglich sein. Um das an dieser Stelle einmal herauszustellen: Ich führe meinen Instagram-Feed gern und versuche natürlich dabei, mich von meiner Schokoladenseite darzustellen – was meiner Ansicht nach übrigens völlig normal und überhaupt nicht verwerflich ist. Wer tut das nicht? Ist doch okay, wenn wir uns schön finden – und ist doch okay, wenn wir das mit den Menschen der digitalen Welt teilen wollen. Ich bin gern in der virtuellen Welt aktiv, auf allen Ebenen und kann dem ganzen unglaublich viele positive Aspekte abgreifen. Aber Partnerschaften oder Sex zu finden, das muss für mich anders laufen – weswegen das für mich auf jeden Fall getrennt wird. Ich freue mich allerdings für alle, die ihren Partner dadurch kennengelernt haben – das soll nun schon sehr häufig passiert sein.