Es gibt Dinge, die fasst man nicht zweimal an. Bestes Beispiel: Die Herdplatte – zumindest dann nicht, wenn man halbwegs klar denkt und nicht all zu verblödet daherkommt. Dann gibt’s Dinge, die man auf jeden Fall mehrfach erleben sollte, wie der Geruch von frischem Kaffee, die ersten Sonnenstrahlen, ein Kuss vorm einschlafen oder gar das Gefühl von frischer Wäsche auf der Haut. – Scheinbar fällt die Aufzählung an dieser Stelle einfach, ob das besser ist, sei dahingestellt! – Und zu guter Letzt noch diese speziellen Ereignisse und Momente, an denen meist ein finaler Satz steht: „Das passiert mir kein zweites Mal!“ Gemeint sind schillernde Erlebnisse, wie beispielsweise eine endlos vorbereitete und doch verpatzte Rede, ein aufwendiges Dinner, bei dem sich keiner bedankte oder eine – kommen wir zum Punkt – Episode wie die an meinem 31. Geburtstag.
Die Vorgeschichte zuerst: Ich habe versucht, meinem ach so wichtigen 30. – nicht 31. – Geburtstag gerade mal soviel Aufmerksamkeit zu schenken, wie jedem anderen auch, habe ein paar Freunde eingeladen, dazu noch Mutti und Vati, sonst nichts weiter, und mich eher still verhalten. Ich habe weder mit dem Glas angestoßen, noch eine Rede über meine bevorstehenden Pläne gehalten oder gar Tränen über den tollen Geburtstagskuchen vergossen, weil ich doch schon so viel Leben verbraucht und meines Erachtens so wenig gelebt habe. Viel Platz für Sentimentalität war also nicht gegeben, da ich bis heute noch viel zu unentschlossen bin, unglücklich darüber zu sein, dass ich manches im Alltag als so nutzlos empfinde und ich mein Erwachsenwerden als ewige Jugendstrafe empfinden darf.
Doch spürte ich, was das Älterwerden verändert hat: Noch vor 10 Jahren waren für die Erfüllung meiner Träume die Eltern zuständig. Heute bin ich selbst verantwortlich, ich muss darum kämpfen, sie zu verwirklichen und auch lernen, aufzugeben. Und man fängt an, sein Alter permanent zu verdoppeln, schlimmstenfalls sogar zu verdreifachen. Dann wäre ich jetzt 93 Jahre alt, wenn das mal keine Ansage ist. Fühlt sich fast so an wie eine Zeituhr im Taxi, nur bin ich nicht der, der fährt. Ich bin zwar kein Student mehr, meine Lehre habe ich bereits vor 10 Jahren beendet und meine kleine Firma entwickelt sich ganz gut – den Status als Freigeist will ich dennoch gerne behalten. Allerdings stelle ich mehr und mehr fest, dass damit längst andere Leute gemeint sind. Und zwar jene, die von mir verlangen, Antworten zu geben, anstatt weiter Fragen zu stellen.
Womit der Link zum 31. Geburtstag perfekt geschlagen wurde. Denn in diesem Jahr habe ich keine Fragen gestellt, wollte keinen Wirbel erzeugen und einfach nur abhauen. Hätte irgendwer gesagt, dass die Idee: „Ich flüchte zum Geburtstag in den sonnigen Süden!“, derart ins Wasser fällt, ich hätte ihm entspannt ´nen Vogel gezeigt.
Man stelle sich vor: Die Côte d´Azur, allerorts bekannt als sonniges Paradies – Wetterinfo: ca. 250 Sonnentage im Jahr -, hatte ausgerechnet am 30. April nicht mal ansatzweise Lust, das hiesige Hotel-Zimmer mit wenigstens ein paar wärmenden Strahlen zu erhellen. Ich erwachte, wackelte zum Fenster, schob die Gardinen zur Seite und wurde ohnmächtig daran erinnert, dass Mutter Erde für meine Person nur wenig übrig hat – Regen, Regen, Regen nochmals Regen. Graue Aussichten, wie ich sie sonst nur aus Berlin kannte, bekamen heute im Glanze französischer Zypressen, ein komplett neues Gesicht.
Wie sich herausstellte, sollte der depressive morgendliche Ausblick gleichsam der des ganzen Tages sein. Also was tun in solch fabulösen Momenten? In einem fremden Hotelzimmer? Einer fremden Stadt? Bei Regen? An seinem Geburtstag?
Antwort: NICHTS, man hängt mit seinem Partner ab. Denn – und dieser Teil der Geschichte ist neu – ich reise nicht mehr allein, ich feiere nicht mehr allein, ich tanze, weine und lache nicht mehr allein, doch das Beste ist: Gelangweilt wird sich auch zu zweit. Getreu der Ansage „Mit gehangen, mit gefangen…“, hingen wir 48 endlose Stunden bei strömenden Regen und dem wohl schlechtesten TV Programm aller Zeiten in einem kleinem Hotelzimmer am Place de la Gare ab und kurbelten wechselwirkend das Gewitter emotional nach oben.
Selbst die Tatsache, dass erstmals, zwei Stunden vor Abflug die Wolken aufbrachen, die Temperatur schlagartig anstieg und sich der einzig mediterrane Moment als finaler Schlag scheinbar am Terminal 2 in Nizza abspielte, bleibt an dieser Stelle unkommentiert. Denn so ist es nun mal im Leben. Korrekt?
Und die Moral aus der Geschicht‘? Der Mensch nörgelt. Das tut er gern, immer und überall – am liebsten übers Wetter. Richtige Nörgler kombinieren das Ganze gar mit eklatanten Ereignissen wie – jetzt kommt’s – dem Geburtstag und verlieren hoffnungslos den Bezug zum Wesentlichen – dem wohl schönsten Geburtstag seit 31 Jahren.
Au revoir Cannes, wir sehen uns beim nächsten Gewitter!