Beatles, Fußball, Hafenstadt- mehr fiel uns beim besten Willen nicht ein, bevor wir für 2NIGHTS nach Liverpool reisten. Ist auch gar nicht verkehrt, denn die 436 000 Einwohner-Stadt an der Mündung des Flusses Mersey fährt gut damit, seine Wahrzeichen zu vermarkten und zu fördern.
Man kann sagen, Liverpool hat Einiges mitmachen und ertragen müssen. Wurden noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts 40% des Welthandels über das unermesslich große Hafenareal abgewickelt, eine Zeit, in der man selbst in London neidisch gen Norden blickte, war man nach einem stetigen wirtschaftlichen Niedergang in den 1970er-Jahren in einer handfesten Krise angelangt. Bis zu 90% Arbeitslosigkeit, die städtischen Finanzen mausetot.
Möglicherweise aber, nahmen sich die Stadt- und Imageplaner des neuen Liverpool den Berliner Slogan „Arm aber Sexy“ zum Vorbild und investierten kräftig in Kultur und Tourismus. Mit formidablem Ergebnis, denn dort wo früher die wirtschaftliche Maschinerie der Stadt ratterte, schlägt heute das kulturelle Herz der Stadt, das kontinuierlich frisches Blut in die schon totgesagte Metropole pumpt.
Seit 2004 zählt der historische Teil der Hafenstadt, insbesondere die Gegend um die Three Graces auf dem Pier Head und das charmante Albert Dock zum UNESCO-Weltkulturerbe. Eben dort wurde 1988 das Liverpool Tate Museum in einem ehemaligen Warenhaus eröffnet und stellt seitdem die bedeutsamste Institution für große Kunst dar. In unmittelbarer Nähe befindet sich übrigens die Mutter aller offiziellen Beatles-Museen, das jedes Detail aus dem Leben der „Fab Four“ in seinen Räumen birgt.
Etwas weiter entfernt, in den Mersey Docks, erhebt sich das Flagschiff des neuen Liverpooler Weges aus dem Boden. Das Museum of Liverpool wurde nach Plänen des Architekten Kim Herforth Nielsen für 72 Millionen Pfund realisiert und 2011 endlich eröffnet. Die Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2008 hatte demnach sichtbare Impulse gesetzt.
Überhaupt werden die Docklands durch zahlreiche Neubauten aufgewertet und verleihen der Stadt den, von Londonern verabscheuten Ruf des heimlichen kreativen Zentrum des Landes. Dies schlägt sich auch in einer vielfältigen freien, alternativen Szene nieder, die ihre Nachmittage in Cafés und Bars verbringen, die schon sehr an Berlin erinnern. Dazu kommt das unbestreitbare Talent der Briten, sich verdammt elegant zu kleiden.
Mit den beiden Premierleague-Clubs Liverpool F.C. und Everton F.C. ist das Herz eines echten Liverpoolers natürlich auch an den Fußball vergeben, womit sich dann auch das Klischee bestätigt.
Abseits des ganzen Beatles-Kults darf Liverpool immer noch eine florierende Musikszene sein Eigen nennen, das rund um den berühmtesten Live-Club der Welt „The Cavern Club“ regelmäßig international erfolgreiche Bands und Solokünstler hervorbringt.
Ach, ja: An der Ecke Chinatown/Berry Street kamen wir übrigens am größten Streetart-Piece des Vereinigten Königreichs vorbei. Schöpfer ist kein Geringerer als Banksy.
Trotz des Fakts, dass Liverpool noch immer zu den 10 ärmsten Städten Großbritanniens zählt, gibt es hier die größte Ansammlung von Museen und Galerien außerhalb von London. Als deutscher Besucher ist man fast verleitet, die Stadt mit einer Liaison zwischen Berlin und Hamburg zu vergleichen. Das würde ein Liverpooler jedoch nie zulassen.