Bei unserem Foto zum Thema „Gastfreundschaft“ macht sich das westliche Verständnis von gastfreundlich sein bemerkbar: Es geht meist oder vielleicht auch immer einher mit etwas Geben oder etwas Bieten können. Wie auf dem Foto unserer letzten Kolumne, hier erwartet die Gäste ein schön gedeckter Tisch, ein schönes Essen, verschiedene Getränke, vielleicht sogar ein Festmahl mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert.
„Man“ soll und möchte seinen Gästen ja schließlich etwas bieten, etwas auf-tischen im wahrsten Sinne des Wortes. An sich ist das ja eine schöne Geste, eine gute Sache, da, so hoffe ich, ja doch immer die gemeinsame Zeit im Fokus des Treffens steht. Gemeinsam Zeit verbringen, sich begegnen, sich austauschen und Momente teilen. Doch darin zeigt sich nicht der Kern des Wertes der Gastfreundschaft.
Dieser besteht für mich darin, dass der Gast als Mensch kommen darf und soll und in der gemeinsamen Zeit – sei es ein Essen zu Hause oder ein Aufenthalt in einem anderen Land – „einfach“ Mensch sein darf und soll und das eben so, wie er oder sie sich gerade fühlt. Um in dem Bild zu bleiben, wenn meine Gäste zu mir zum Essen kommen, dann wünsche ich mir, dass sie sind, wie sie gerade sind und dass niemand irgendwem etwas auftischt, nur um etwas bieten zu können.
Ich glaube wirklich aus tiefstem Herzen, dass Menschen von ihrer Natur aus gut sind. Und dass wir alle ein Ziel gemeinsam haben und teilen: glücklich sein. Für mich steckt da eben ganz viel Sein drin und Sein hat nichts mit Haben zu tun. Das Sein hat nichts damit zu tun, was ich an Materiellem habe oder bieten kann, woher ich komme, welche Hautfarbe oder Sexualität ich habe. Nein, dieses Sein zeigt sich darin, wer ich bin und wie ich mich als Mensch verhalte, wie menschlich ich mich verhalte und wer hinter der Fassade sitzt und darauf wartet gesehen zu werden.
Der Mensch hinter der Ideal-Mensch-Maske, dessen Tragen wir perfektioniert haben. Wer ist dieser Mensch? Das interessiert mich wirklich. Menschen haben so viel Potenzial. Menschen entscheiden, ob diese Welt Himmel oder Hölle ist. Und ich bin davon überzeugt, dass wir eigentlich alle den Himmel auf Erden wollen. Doch warum sieht die Welt dann so aus, wie sie aussieht? Seit es Menschen gibt, gibt es Machtkämpfe unter ihnen. Kämpfe um mehr Ansehen, mehr Macht, mehr Besitz, mehr Raum. Warum immer mehr? Brauchen wir immer mehr, um immer mehr zwischen uns und unser körperliches Ende zu stellen, weil dann der Tod sich durch mehr graben muss, bis er uns letzten Endes erreicht? Welche Angst ist das da genau, die wir mit dem immer mehr überdecken, zuschütten, verbuddeln und vergraben wollen?
„Ich glaube wirklich aus tiefstem Herzen, dass Menschen von ihrer Natur aus gut sind. Und dass wir alle ein Ziel gemeinsam haben und teilen: glücklich sein.“
Wir alle haben diese Angst. Wie wir sie genau nennen, beschreiben und damit definieren, ist das ganz persönliche Zugeständnis. Die, die gewalttätig durch diese Welt gehen, können mit der Angst nicht umgehen. Daher wollen sie immer mehr. Mehr Raum, mehr Schrecken verbreiten, mehr Angst erzeugen, so dass sie ihre Angst dadurch nach Außen kehren und der Illusion verfallen, diese Angst dadurch sogar loszuwerden.
Doch letzten Endes sind wir alle gleich und wir enden gleich. Denn wenn wir eins mit Sicherheit wissen können, dann ist es, dass „man“ unsere Spezies „Mensch“ nennt und dass das Menschsein bedeutet zu leben, bis wir sterben. Die Zeit ist bestimmt. Das Ende ist gesetzt. Und in den Tod mitnehmen kann weder der Bettler noch der König noch der Machtsüchtige irgendetwas und schon gar nicht mehr.
Das werden diese gewalttätigen Menschen spätestens auf ihrem Sterbebett auch einsehen. Wo sie dann landen oder was dann mit ihnen geschieht, bei dem Karma, das sie angehäuft haben, das wissen wir hier nicht. Gehört auch wahrscheinlich einfach nicht zu unseren menschlichen Aufgaben auf dieser Erde. Erde ist für mich das nächste Stichwort: Denn wenn wir zudem noch etwas wissen können, dann ist es, dass wir Menschen alle gemeinsam auf dieser Erde in Form eines Körpers leben. Damit ist der räumliche Rahmen vorgegeben. Der Raum bestimmt.
Und wenn wir nicht aufpassen, dann setzen wir Menschen unserem eigenen Raum das Ende. Wie dumm wir Menschen wären, wenn wir tatsächlich unseren eigenen Lebensraum dem Tod auf dem Silbertablett servieren würden.
„Ich sehe so viel Gutes auf dieser Erde, so viele herrliche Töne, so viele wohltuende Klänge, so viele bunte Arten. So viele verschiedene Pflanzen und Blüten, Tiere und Menschen. So viel Schönheit.“
Denn dann gibt’s uns Menschen dazu. Und wenn der Tod uns Menschen als Vorspeise essen würde, dann würde sich der Tod noch mal überlegen, ob er die Erde auch noch schluckt – so komisch wie ihre Gäste bestimmt schmecken werden: bitter vor Zorn, zäh vor Wut, sauer vor Kummer, eng vor Angst.
Manche Menschen sagen, es wäre ja auch besser, wenn die Erde die Menschheit endlich los wäre. Dann würde es der Erde besser gehen, sie könnte wieder atmen, in ihren Fluss kommen und der natürliche Kreislauf wäre wieder intakt. So gesehen ist da natürlich etwas dran. Aber andererseits denke ich mir dann immer, dass – wer auch immer es war – der, der uns Menschen hier auf diese Erde gesetzt hat, dass der- oder diejenige oder diejenigen sich doch irgendetwas dabei gedacht haben müssen. Etwas Gutes. Denn wenn ich auf die andere Seite der Waagschale schaue, dann sehe ich so viel Gutes auf dieser Erde, so viele herrliche Töne, so viele wohltuende Klänge, so viele bunte Arten. So viele verschiedene Pflanzen und Blüten, Tiere und Menschen. So viel Schönheit.
Und sie alle ergeben immer eine Artenfamilie. Die Pflanze ist Pflanze, weil sie Pflanze ist. Pflanze zu sein ist die „Aufgabe“. Das Tier ist Tier, weil es Tier ist. Tier zu sein ist die „Aufgabe“. Der Mensch ist Mensch, weil er Mensch ist. Und da kommen wir wieder zu der Frage: Was bedeutet es wohl, Mensch zu sein? Was ist die universell gültige „Aufgabe“ des Menschen und beschreibt die Spezies „Mensch“ ethnienunabhängig? Wie gesagt, Raum und Zeit – ob es sie nun wirklich gibt oder nicht, das kann hier an dieser Stelle nicht beleuchtet werden – jedenfalls, Raum und Zeit sind gesetzt.
Die Zeit ist die Dauer unseres menschlichen Lebens. Und der Raum ist der Lebensraum unseres menschlichen Daseins. Und dieser Raum an sich ist im Kleinen unser Körper und im Großen die Erde. Die Erde ist unser Chief Host. Wir alle sind Gast auf dieser Erde. Und wenn wir Menschen endlich verstehen würden, dass wir alle denselben Gastgeber haben und dass es darum geht, hier auf Erden ein „guter“ Gast zu sein, dann bräuchten wir weder eine Debatte über Gastfreundschaft noch über die Flüchtlingskrise. Doch wir Menschen haben uns verfangen in unseren eigenen Stricken. Stricke voller materieller Abhängigkeiten, voller Leistungsdruck, Erfolgsgedanken, Machtstellungen sowie meins und deins und mehr und noch mehr.
Nur wir Menschen können diese Stricke wieder lösen und uns und damit auch die Erde wieder atmen lassen. Die Übergangszeit ist da und sie ist nicht einfach. Wirklich nicht einfach. Denn wir müssen erst mal aufräumen, aufräumen von Grund auf und bis auf den Grund, bevor wir den Erdentisch wieder „schön“ decken können. „Unter den Trümmern das Paradies…“ – KIZ erklingen in meinem Kopf. Und sie haben mit dieser Zeile Recht. Jeder und jede kann anfangen bei und für sich aufzuräumen. Und zwar so richtig. Bis zum Urgrund der Angst, die uns alle verbindet. Gastfreundlich zu unseren eigenen Gefühlen sein, das ist ein Anfang. Auch zur eigenen Wut, dem eigenen Zorn und eben zur eigenen Angst.
Und dann im Angesicht dieser menschlichen Angst wird die Angst vom Riesen zum Zwerg. Und wer hat schon Angst vor der Zwergen-Angst? Sie ist der „Spiel-Einsatz“ für das Leben auf dieser Erde und im gesunden Maß dient sie dem Überleben unseres Körpers, unseres Daseins auf dieser Erde.
„Lassen wir das Mensch Sein in bunter Vielfalt erblühen. Bei den Blumen zum Beispiel wünscht sich doch auch keiner, dass es nur noch Rosen geben soll.“
In der Philosophie sagt man immer so schön: ‚Wir stehen auf den Schultern von Giganten‘. Und das tun wir wirklich! Denn jede Artenfamilie, jede Kultur hat so viel Wissen, Potenzial und ihr „Glücksrezept“, wie wir wieder gute Gäste auf dieser Erde werden können.
Und gute Gäste gehen, meiner Ansicht nach, auch gut mit ihrem Gastgeber um, sei es der eigene Körper im Kleinen oder die Erde im Großen als Gastgeber unseres Lebens. Wie wir dieses Leben gut leben können, wie wir unseren Körper gut bewohnen können und wie wir wieder im gesunden Einklang mit dem Erdenrhythmus ticken können, da können wir von den Menschen aller Ethnien etwas lernen.
Und vielleicht ist das der Grund, warum gerade passiert, was passiert oder gar passieren muss, damit wir Menschen als Menschen und als Einheit „Mensch“ erwachen und das Wissen und die Potenziale vermischt und damit zur gegenseitigen guten Befruchtung geteilt werden. Lassen wir das Mensch Sein in bunter Vielfalt erblühen. Bei den Blumen zum Beispiel wünscht sich doch auch keiner, dass es nur noch Rosen geben soll. Nein, da finden wir alle die Arten- und Farbenvielfalt umso toller und erfreuen uns an einer bunten Blumenwiese. Genau das sollten wir auch mit der menschlichen Vielfalt machen, uns an ihr erfreuen und bunte „Sträuße“ draus verknüpfen.