VERGISS DEINEN PASS NICHT, ES HERRSCHT NOCH IMMER NOTSTAND

Ich bin wütend liebe Leser, denn diese Zeilen waren nie geplant. Zwingen wollte ich mich. Wollte mich zwingen nichts zu sagen. Wollte so tun, als hätte es diesen Tag nie gegeben. Einfach weiter machen, der Welt zeigen, dass ich keine Angst habe. Doch es gelingt mir nicht.

Wie realistisch wäre ein Beitrag über Paris, ohne darüber zu sprechen, wie es ist, in Paris zu sein, nach allem was vorgefallen ist. Wie viel Mensch steckt in mir, könnte ich einfach so tun als ob? Richtig? Falsch? Ist das überhaupt der Weg? Vielleicht fangen wir so an: Die Wahrheit erschrickt mich!

Bereits im Zug überkam mich die Traurigkeit. Sie überkam mich als meine Taschen durchwühlt wurden. Als ich realisierte, wie ich Mitreisende anstarrte! Als ich in Brüssel nur wollte, dass der Zug schnell wieder abfährt! Als ich Paris näher kam und mein Herz noch stärker raste. Die Trauer. Die Wut. Sie überkam mich überall. Wollte ich das? Nein. Will ich all das? Nein. Habe ich es dennoch gefühlt? Ja.

Bereits als ich Gare du Nord ausstieg, war sie aufgebraucht, die Kraft. Was geschah, werde ich nicht vergessen: Ich verließ das Abteil, zerrte den Koffer aus der Ablage und entstieg dem Wagon. Entlang der Bahngleise Richtung Ausgang schaute ich mich um: „Irgendwas läuft hier anders!“ – dachte ich. „Nur was?“ Während ich so lief, stellte ich fest, dass die Menschen nur in eine spezifische Richtung und nicht wie sonst, kreuz und quer, im Bahnhof einhergingen.

Nur eine paar Meter weiter, am Ende der Gleise, traf ich auf eine große Menschenmenge. In Reih und Glied. Keiner sprach. Alle standen ruhig da – wie aufgestellt. Es war grauenhaft still. So gar nicht Paris. Allesamt starrten sie auf einen Bildschirm. Ich konnte nicht erkennen was drauf stand, alles war auf französisch. Plötzlich leuchtet es grün und alle Passanten liefen zum Zug. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich inmitten einer weiteren Sicherheitsmaßnahme steckte. Auf diesem Weg kuratierte die Polizei das Kommen und Gehen der Reisenden und überwacht damit den Bahnhof. Wenn keine Personen sich kreuzen, ist es leichter zu sehen, wer quer schlägt.

Krass! All die Menschen, gesteuert wie Lemminge. Bei rot stehen, bei grün gehen! Nur ohne Straße. Dafür im Alltag. Spätestes jetzt wurde klar, dass mir dieses Wochenende einiges abverlangt, das es anders ist als sonst, dass Paris schwer verwundet ist. Hart und bösartig.

Ich drehte die Musik hoch, tat so als käme ich klar und versuchte zu lächeln. Damit war ich nicht allein, vielmehr hatte ich den Eindruck, die Menschen sahen sich intensiver in die Augen als sonst. Als wollten sie wissen, wer vor ihnen steht. Vielleicht aus Angst, vielleicht aus Klarheit. Vielleicht beides.

Drum rollte ich weiter, zog meinen Trolley zum Ticketautomaten. „U-Bahn? Ernsthaft?“ – dachte ich. Läuft das jetzt nur noch so? Überlegen wir beim Betreten einer U-Bahn nun ernsthaft, ob es gefährlich ist die Metro zu nutzen? Ist es wirklich eine Gefahr, hier zu sein? Ist das nun Realität? Und selbst wenn, was tun? Ich wünsche mir nicht nur Frieden da draußen, auch hier oben, im Kopf, oder hier, unter meiner Brust, nah am Herzen, auch dort suche ich nach Frieden.

In der U-Bahn waren wir gerade mal zwei Leute. Eine Französin und ich. Wir schauten uns an, doch sagten kein Wort. Zeitgleich erhielt ich eine Nachricht: „Baby, denke heute Abend an deinen Ausweis. Lass ihn nicht im Hotel. Solange Notstand herrscht, ist jeder verpflichtet sich an Ort und Stelle ausweisen zu können!“ Die SMS kam von meinem Freund, da wir aus unterschiedlichen Städten anreisten, wollten wir uns direkt im Restaurant und nicht im Hotel treffen.

Und während ich so fuhr, entlang der Ultragleisen, irgendwo unter Paris, dachte ich nach: „Wie abgefucked ist diese Welt? Wie grenzenlos abgefucked?“ Der Terror lässt wirklich nichts aus. Wie ein Virus gräbt er sich durch die Haut, über die Venen, in unsere Herzen. Allesamt sind wir infiziert, der eine mehr, der andere weniger.

Es ist der schlimmste Virus seit Menschengedenken – Angst. Doch wie bei jeder Erkrankung könnten wir etwas tun. Wir können ihn kurieren, im schlimmsten Fall, bekämpfen. Allein oder gemeinsam, wie wir uns fühlen. Wir pflegen uns und andere – gegenseitig gesund. Das ist kein Heilmittel, ich weiß. Doch ist es ein Weg.

Mit 34 Jahren habe ich den Golfkrieg, 9/11, den Krieg im Nahen Osten und zig Terroranschläge vor den eigenen, den Augen anderer oder aus dem Blickwinkel der Medien erlebt. Gewiss nur ein kleiner Teil einer bitteren Aufzählung – auch das weiß ich. Was bin ich froh, dass ich nicht tiefer grabe, es würde niemals Sinn machen. Auch geht es nicht um Gut und Böse. Nicht um Recht und Unrecht. Nein. Gewiss nicht. Nur eins solltet ihr wissen: WE WILL ALWAYS HAVE PARIS.

Drum fahrt raus Freunde, versteckt euch nicht und besucht eure Liebsten. Steigt in die Bahn, ins Flugzeug, in den Bus und schaut sie euch an, die schöne Welt. Erkundet die großen Städte, braust raus aufs Land, ans Meer und macht so viel Bilder wie ihr nur könnt. Teilt eure Freude, eure Erlebnisse und Eindrücke.

Schlemmt euch durchs Leben, in den besten Restaurants, schaut die witzigsten und schönsten Filme und lacht aus ganzem Herzen. Nur eins vergesst bitte niemals: Diese Welt gehört uns – nicht denen!

Au revoir Paris, ich bin bald zurück!

Location: InterContinental Paris le Grand
Location: InterContinental Paris le Grand
#icewatchparis Installation von Künstler Ólafur Elíasson
#icewatchparis Installation von Künstler Ólafur Elíasson
KOOPERATION

Die Reise nach Paris fand in Kooperation mit dem InterContinental Paris – Le Grand statt. Wir danken für die wunderbare Zusammenarbeit und Gastfreundschaft. Weitere Infos zum Hotel findet ihr hier.