LADAKH, DAS PARADIES - LEH, DAS TOR ZUM HIMMEL

Nach drei Tagen in der Millionenmetropole geht es hoch in den Norden Indiens nach Ladakh. Indiens rauer Norden ist zunächst erstmal das ganze Gegenteil von Delhi, denn die Region ist vor allem im Vergleich zur Multimillionenmetropole quasi menschenleer. Ladakh ist das Land der blauen Seen und mächtigen grauen Berge. Ein karger Landstrich, der landschaftlich als auch kulturell eher zu Tibet, als zum tropischen Südindien oder Delhi gehört. Leh, eine Stadt im indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir, mitten im Herzen von Ladakh, zählt zu den höchstgelegenen ständig bewohnten Städten der Erde. 30.000 Menschen wohnen hier unter den ständig wehenden Gebetsflaggen der beiden Gipfel des Peak of Victory über Leh. Bäume gibt es nicht, dafür ist der tibetische Buddhismus überall präsent. Gebetsfahnen wehen im Wind, in den Tälern stehen Stupas und Chörten, wie die Schreine hier heißen – man merkt, ehemals war diese Region Teil des buddhistischen Königreichs im Westen des Himalaya Gebirges. Ladakh, so sagt man, ist das Paradies und Leh der Eingang zum Himmel.

Nach einer spektakulären Landung in Leh mit einer halbbesetzten Maschine fällt ein Gebäude direkt auf: Die Ruinen des Leh Palastes und des dazugehörigen Klosters. Sie erheben sich mächtig vor dem atemberaubenden Panorama der umliegenden Bergwelt und lassen diese unreale Kulisse noch ein wenig unwirklicher erscheinen. Der neunstöckige Komplex aus dem 17. Jahrhundert thront weiter über der Stadt – zumindest das, was noch von Klein-Lhasa, wie man den Leh-Palast liebevoll nennt, heute noch übrig ist. Welchen herausragenden Stellenwert der Buddhismus in der Region tatsächlich hat, merkt man wenige Minuten später erneut. In den Klöstern Shey, Thiksey und Hemis wird noch heute buddhistisch gelebt und auch die weiße Shanty Stupa, ein Relikt der Gautama Buddhas, thront hoch über der Stadt und gibt einen einzigartigen Blick auf Leh und die umliegende Region frei. Shanty Stupa, 1991 als Teil der Friedenspagodenmission erbaut, ist allerdings nur eine von unzähligen Pagoden in der Region. Viele von ihnen werde ich erst in den nächsten Tagen, erhofft und unverhofft, für mich entdecken.

Ein weiterer Ausflug führt uns noch ein Stück höher über die Stadt: Hier befindet sich auf einem kleinen Berg, knapp 30 Minuten von Leh entfernt, das majestätische Spituk-Kloster aus dem 14. Jahrhundert. Es ist nicht nur eines der drei ältesten Klöster der Region, sondern beherbergt kunstvolle Wandgemälde und gut erhaltene traditionelle Thangka Malereien, sogenannte Rollbilder des taktischen Buddhismus. An den Versammlungsräumen und der Säulenhallen des Klosters vorbei, wird allmählich der Panoramablick auf das Dorf Spituk und das Indus-Tal frei. Nicht weniger spannend ist zudem der Besuch der Gebetskammer auf dem Berg mit seiner Statue der Göttin Kali, die wir heute leider nicht zu Gesicht bekommen. Schließlich wird ihr Gesicht auch nur einmal jährlich enthüllt. 13 Kilometer westlich von Leh besichtigen wir auf dem Bergkegel schließlich auch noch die anliegenden Märkte, auf denen allerhand Handwerkskunst und ladakhische Spezialitäten angeboten werden, von denen ich nicht genug bekomme. Klar, Höhe macht hungrig.

Wir entfernen uns von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit ein Stück weiter von Leh und besichtigen, wie es eben zu einem Besuch in Ladakh gehört, auch den Stock Palast, der auch Stock Gompe genannt wird. Knapp eine Stunde Autofahrt entfernt, befindet sich das Sommer-Anwesen der königlichen Familie von Ladakh. Teils als Palast, teils als Kloster erbaut, ermöglicht es mir nicht nur Einblicke in die religiöse, wie auch weltliche Kultur. Die Anlage selbst geht auf das 14. Jahrhundert zurück und ist berühmt für ein nach dem Palast benanntes Manuskript des Kanjur, die heilige Schrift des Buddhismus aus der Drugpa-Kagyü-Schule. Das angrenzende Museum erzählt zudem über die Geschichte des Palastes, beherbergt einige königliche Exponate und dient heute übrigens auch als Hotel. Wenige 6 Zimmer gibt es hier. Sollte es mich nochmal nach Leh verschlagen, dann werde ich hier mit Sicherheit eine Nacht verbringen.

Als hätten sich die Highlights in den letzten Tagen nicht schon überschlagen, steht schließlich unsere größte Herausforderung auf der Reise durch Indien bevor. Wir überqueren auf unserer Fahrt in das verborgene Nubra Tal auf sage und schreibe 5600 Metern den höchsten befahrbaren Pass der Welt, den sogenannten Khardung La. Mit 150 Kilometern ist die Strecke zu unserem Ziel zwar nicht die längste, aber mit Sicherheit eine der anspruchsvollsten der Welt. Auf zum Teil befestigten, zum Teil sogar unbefestigten Straßen und Geröllpisten führt uns der Pfad in Schritttempo in einer riesigen Kolonne mit Militärfahrzeugen, Traktoren und Trucks hoch in die karge Bergwelt des Himalayas. Abwechselnd – mal links, mal rechts – eröffnet sich der Abgrund vor uns. Von der anderen Seite lauert hinter jeder Kehre die Gefahr eines Erdrutsches. Treffen zwei der riesigen Trucks aufeinander, die sich hier tagein- und tagaus über den Pass kämpfen, wird es erschreckend eng. Am höchsten Punkt des Passes halten wir an.

Die Luft ist dünn, das atmen fällt schwer. Und während sich wenige Sekunden zuvor noch die Sonne zeigte, bricht wenige Sekunden später auch gerne mal ein Schneesturm herein, der die Sicht auf wenige Meter beschränkt. Wem es bis jetzt noch nicht deutlich war, den holt die Realität spätestens an dieser Stelle ein. Wir sind hier mitten im Himalaya, ein Ort an dem der Mensch nichts mehr zu sagen hat. Es regiert die pure Naturgewalt. Von hier oben kann man über Leh blicken, im Süden offenbart sich das Indus Tal und im Norden blickt man bis zu den Spitzen des majestätischem Saser Massivs. Der Mensch wirkt hier jedoch verschwindend winzig.

Auf der anderen Seite des Passes geht es wieder steil ins Tal hinab und wenige Minuten später präsentiert sich nicht mehr der karge Pass, sondern das gewaltige Nubra-Tal wie ein majestätischer Garten. Aus grau wird grün. Kein Wunder, dass Nubra sogar so viel wie grün bedeutet. Die Gegend um die Flüsse von Nubra und Shyok ist fruchtbar. Die Bewohner bauen Weizen, Erbsen, Nüsse und ähnliches an. Auch früher war Nubra übrigens ein beliebtes Handelszentrum auf der Seidenstraße – jährlich zogen hier nicht 10.000 Trucks, sondern 10.000 Kamele beladen mit chinesischer Seide, indischem Schmuck, Gewürzen und Wolle durch die Region. Die Kamele gibt es noch heute hier – genau so wie die Panamik, deren Wasser dank des hohen Schwefelgehalts schon damals Heilkräfte nachgesagt wurden.

Im Zentrum von Tegar im Nubra Tal befindet sich, wer hätte es gedacht, eine weitere Gompa, die historische Manekhang Gompa. Versteckt hinter den kleinen, unscheinbaren Türen im kleinen Bergdorf unweit von hier befindet sich zudem das Zimskang Museum, das nur nach Vereinbarung Besucher empfängt und mir einen ganz besonderen Einblick ermöglicht. Das historische Haus, welches noch im Originalzustand erhalten ist, gibt einen authentischen Einblick in die traditionelle Lebensweise im Nubra Tal. Eine Lebensweise die für Erstaunen und Bewunderung sorgt. Und obwohl ich gerne noch eine Weile im Nuba Tal verweilen würde, lockt mich schon das nächste Abendteuer knapp 3.000 Höhenmeter weiter unten.

MEHR

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KOOPERATION

Die Reise nach Indien fand in Kooperation mit Enchanting Travels statt. Folgt Enchanting Travels auch auf der Website, Facebook und Instagram. Sämtliche redaktionell entstandenen Beiträge bleiben von der Kooperation unberührt.

Spannende Routen findet ihr auf der Website von Enchanting Travels hier. Normans Routen in den Himalaya findet ihr hier, die Nordindien Route hier.

Wir bedanken uns bei Enchanting Travels für die perfekte Organisation und dem Programm meiner Reise.