Berlin im Wandel
In den letzten Jahren mussten wir mit ansehen, wie viele unserer liebsten Clubs wie etwa das Picknick oder Mittes Absturladen Nummer eins, das Cookies ihre Pforten geschlossen haben. Clubs, deren Ruf bis weit über die Stadtgrenze bekannt war und für die Menschen aus ganz Europa jedes Wochenende zum Feiern kamen.
Gentrifizierung, steigende Mieten, schlecht bezahlte Jobs und dann sterben auch noch viele der besten Clubs nach und nach – hört man sich so um, könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass es mit unserer Hauptstadt ganz schön rapide bergab geht. Immer wieder passiert es in den letzten Jahren, dass Urgesteine der Berliner Feierkultur schließen mussten – manchmal wegen lärmempfindlicher Nachbarn oder nicht verlängerter Mietverträge, oft allerdings auch, weil Investoren an dem attraktiven, innerstädtischen Grund interessiert waren, den sie meistbietend verkaufen wollten.
Eines der wohl berühmtesten Beispiele hierfür ist die Geschichte der Bar25, neben dem Berghain der stilprägendste Clubs, den Berlin in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Die Bar25, das war eine Mischung aus Zirkus, Theater und niemals endender After-Hour, berüchtigt für Exzess und Hedonismus, denen sich die Feiernden hier hingegeben haben. Doch vom Spreeufer – angesiedelt zwischen Jannowitzbrücke und Ostbahnhof – wegen eines Bauvorhabens vertrieben, eröffnete sie schließlich neu auf der gegenüberliegenden Seite als Kater Holzig, nur um ein paar Jahre später schlussendlich doch auf das alte Gelände zurückziehen zu können. Nun unter dem Namen Kater Blau wurde im Juli 2014 eine viertägige Einweihungsparty gefeiert, wobei ‚der Kater’, wie Berliner ihn liebevoll nennen, in den nächsten Jahren weiter wachsen soll. Auch der nur einige Meter entfernte Yaam Club, eine über 20 Jahre alte Reggae-Institution, musste 2014 von seinem ursprünglichen Grundstück an der Spree weichen, da Mietverträge nicht verlängert wurden. Seine Wiedereröffnung konnte er allerdings schon einige Monate später auf dem Gelände der ehemaligen Maria am Ostbahnhof feiern, das dem Yaam nun eine neue, dauerhafte Heimat bieten soll.
Beispiele wie diese belegen, wie sehr sich die Berliner Clubszene in der letzten Jahren verändert hat und wie sie an ihren Aufgaben wachsen musste. Eine Stadt, die immer als kreativer Abenteuerspielplatz galt, wird langsam erwachsen, Freiräume verschwinden und einst subkulturelle Szeneclubs werden gewinnbringend kommerzialisiert. Doch ohne Wandel und Bewegung wäre eine Großstadt keine. Sie lebt durch Veränderungen und die Freude am Aufbruch, von ihren temporären Orten und immer neuen Entwicklungsprozessen. Sagt nicht ein altes Sprichwort so schön, dass sich alte Türen schließen müssen, damit sich neue öffnen können? Durch Zwischennutzungen können Orte mal für einen kürzeren, mal längeren Zeitraum bespielt werden, bevor sie sich beispielsweise wieder in Bürokomplexe verwandeln. Verändert sich die Stadt, verändert sich die Szene – und eben auch ihre Locations.
Wir haben ein paar der für uns wichtigsten Nachtlebengrößen zum omnipräsenten Thema Clubsterben befragt und wollten außerdem von ihnen wissen, wie sie die Zukunft des immer noch höchst beliebten Berliner Nachtleben einschätzen.
Conny Opper (Konzulat, King Size, Broken Hearts Club, Scala)
Berlin ändert sich stetig – das ist seit 25 Jahren so und wird wohl auch die nächsten 25 Jahre so bleiben. Vor 10 Jahren gab es auch bereits eine Diskussion um’s Berliner Clubsterben und das Rad der Geschichte hat sich trotzdem weitergedreht. Es ist Teil des Transformations-Prozesses dieser Stadt: Leerräume werden besetzt, kulturell bespielt und neu definiert, Bestehendes verschwindet, Neues entsteht – das macht die treibende Kraft dieser Stadt aus und hält die Kreativität am laufen. Man muss sich in Berlin immer wieder neu erfinden. Natürlich ist nicht jede Veränderung a priori gut, das ist klar! Die Spekulationsblase und Gentrifizierung hat auch die Clublandschaft und kreative Szene hart getroffen. Es ist ein Grund, warum fast alle aktuellen Clubs an die Stadtperipherie gedrängt wurden und man heutzutage eigentlich fast keinen Club mehr in Mitte oder Prenzlauer Berg finden kann. Heutzutage einen Club zu Betreiben ist ein Geschäft geworden und es ist nicht mehr so einfach alternative Kultur unabhängig zu betreiben. Ein wenig Unschuld und Freiheit ist also schon verloren gegangen.
International betrachtet ist Berlin aber immer noch ein Paradies und ist nicht ohne Grund nach wie vor Anziehungspunkt für Musiker, Künstler und Kreative aus der ganzen Welt. Insofern ist Berlin über die Jahre auch immer internationaler geworden und zu einer Metropole gereift. Davon profitiert natürlich auch das Nachtleben und macht es nach wie vor so spannend. Neue Ideen werden immer wieder in die Stadt getragen und voller Tatendrang in die Tat umgesetzt – ich denke Neukölln ist dafür z.Z. das beste Beispiel, da macht fast täglich ein neuer Laden oder eine neue Bar auf. Die jungen Leute sind immer noch neugierig und wollen neue Dinge entdecken, grade an der Schnittstelle zu Kunst und Kultur und Nachtleben passieren spannende Entwicklungen – da wird jede Vernissage zum Happening. Die Leute wollen kulturelle Inhalte, Livemusik und echte Erlebnisse – insofern braucht man sich um die kreativen Zukunft der Stadt keine Sorgen machen. Ob Tag oder Nacht – Berlin lebt.
Michel Niknafs (Prince Charles)
Berlin war schon seit jeher dazu verdammt immer zu werden und niemals zu sein! Wir hatten das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort & wir selbst zu sein.
Steffen Hack aka Stoffel (Watergate)
Durch gesteuerte politische Entscheidungen gibt es einen immensen Druck auf die Immobilien in Berlin (eigentlich ist diese Entwicklung weltweit zu beobachten)! Das hört sich jetzt polemisch an, aber leider ist es so. Berlin ist eine sogenannte Metropolregion. Metropolregionen stehen in einer Konkurrenzsituation zu einander. Jede MR versucht sich möglichst gut aufzustellen, um im internationalen Wettbewerb gut dazustehen! Man feilscht um int. Firmen die möglichst, in unserem Fall in Berlin, ihren Hauptsitz oder einen Filiale eröffnen, man puscht sogenannte Start-Ups und pumpt Steuergelder hinein, um sich wiederum im int. Vergleich zu behaupten.Die Immobilien- bzw. Quadratmeterpreise waren in Berlin sehr niedrig und haben es von daher ermöglicht, dass sich Firmen anzusiedeln konnten, die nicht nur in der Wachstumsdoktrin wirtschaften, sondern kreativ und eher bodenständig, lokal und langfristig agierten. Sie sind am Standort Berlin interessiert, wohnen auch hier, haben hier ihre Familien, sind also in Berlin verwurzelt! Es war möglich, große Flächen für wenig Geld zu mieten oder auch zu kaufen! Das hat es möglich gemacht auch in der Innenstadt Clubs und andere kreative Räume zu betreiben.
Heutzutage ist es hingegen die Überzeugung der beherrschenden Politik, dass die Flucht nach vorn das Allheilmittel aller Problemen ist. Das heißt die Regularien wurden aufgelöst um QM Preise niedrig, bezahlbar, in einem wirtschaftlich für viele Teilnehmer erschwinglichen Niveau zu halten. Es wurde im Eigeninteresse der Politik und im Interesse ihrer natürlichen Verbündeten, der internationalen Finanzmafia aufgegeben. Nicht ohne Grund wurde die Grunderwerbsteuer in den letzten Jahren gehörig angehoben und liegt jetzt, wie ich glaube, bei 6%. Es geht hier um die Urbarmachung für die Immospekulanten und denen geht es nicht um das Gemeinwohl oder die Entwicklung einer Region, sondern nur um Rendite. Aus diesem Grund muss der Grund- und Bodenpreis steigen, um so Investoren zu erreichen, die hier agieren möchten. Berlin selbst ist ja hoch verschuldet. Wie soll hier von der Politik erwartet werden, dass man sich um Subkultur, wie etwa Clubs und andere kreative Projekte kümmert. Selbst wenn dem Senat bewusst ist, dass Kultur für einen Standort wie Berlin wichtig ist, gerade weil er so viele junge Kreative anzieht, aber es fehlen in dieser Gemengelage einfach die Mittel um hier gegenzuwirken. Und dann wollen die Politiker ja auch wiedergewählt werden.
Es wird aus den oben genannten Gründen immer weniger Clubs bzw kreative Räume in der Innenstadt geben, alles was Subkultur ist, wird sich in der Zukunft außerhalb des S-Bahn-Ringes ansiedeln, bis der Druck sie auch hier verdrängt. Die Clubs, die sich in den Innenstadtbezirken halten möchten, werden sich mit hohen Mietsteigerungen auseinander setzen müssen und dementsprechend Eintrittsgelder verlangen, die Clubbing zum Exclusive Erlebnis für Topverdiener werden lässt! Dann wäre allerdings Schluss mit sozialem Clubbing á la Berlin, so wie wir es kennen.