Faule Tage adiós, bienvenidos Abenteuergeist! Denn Chiapas, an der Grenze zu Guatemala im äußersten Süden Mexikos gelegen, vermählt eine Jahrtausende zurückreichende indigene Kultur mit kolonialer Schönheit, einen wilden Dschungel mit überwältigenden Spuren menschlicher Zivilisation und das türkise Blau der Flüße mit dem tiefen Grün der Vegetation. Indiana Jones hätte hier seinen Spass!
Tuxtla Gutierrez: Turbulente Grossstadt am Tor zum Cañon
Die Ankunft im ursprünglichsten Bundesstaat ließ sich wenig abenteuerlich an, denn Tuxtla Gutierrez, Hauptstadt und Verwaltungszentrum von Chiapas, gleicht mit seinen 600 000 Einwohnern mehr einem emsigen Bienennest und macht es dem Besucher zunächst schwer, irgendetwas ursprüngliches hier zu finden. Dabei muss man nur 15 Minuten aus der Stadt hinaus, in die kleine Stadt Chiapa de Corzo, um einen der beeindruckendsten natürlichen Schaetze von Chiapas vorzufinden. Der Cañon del Sumidero, jene Kilometer lange Schlucht, die das Wappen des Bundesstaates ziert, wurde vom Rio Grijalva und tektonischen Verschiebungen teils über 1000 Meter aus der Erde gehoben. Flitzt man mit dem Schnellboot auf den Eingang zu, wird man sich seiner Winzigkeit auf überwältigendste Weise bewusst. Die Flusskrokodile, die hier in der Sonne dösen und von Touristen begafft werden, stoert das jedoch wenig.
San Cristóbal de las Casas: Koloniale Perle im gruenen Hügelland
Im Reiseführer jedes Mexiko-Individualreisenden ist San Cristóbal de las Casas ganz dick markiert- völlig zurecht. Ihre Lage auf 1900 Metern zwischen sanften Hügeln bringt der Stadt ein angenehmes Klima, das zu dieser Jahreszeit zwischen 20 und 27 Grad schwankt und Stadtspaziergänge somit nicht zur Selbstgeisselung macht. Hier stösst man auf ein großartiges Nachtleben und erstaunlich viele Independent- Bars, Cafés und Kinos. San Cris versammelt unzählige Nationen in den Kopfstein-gepflasterten Straßen, die zu dem ohnehin schon reichen Angebot an Kulturen beitragen und dadurch zusammenbringt, was zusammengehört: Entspanntheit und kultureller Elan, indigene Tradition und moderne Neuerung, französisches Pain au Cholocat und chipanekische Pozole.
Einen Katzensprung von San Cristóbal entfernt, liegt das Städtchen San Juan Chamula an einer abschuessigen Bergseite. Hier leben ausschliesslich Angehörige des Volksstamm der Tzotzil, der direkt von den Mayas abstammt und animistische Rituale auf interessante Weise mit katholischer Anbetung vermischt. So fehlen in der örtlichen Kirche beispielsweise Kirchenbänke komplett, stattdessen ist der Boden über und über mit Piniennadeln bedeckt, die Gläubigen knien. Touristen werden nur ohne Kameras toleriert, da die Einwohner von Chamula glauben, durch ein Foto werde ihre Seele auf das Bild gebannt. Nicht selten kann man einem skurillen Ritual beiwohnen, bei dem Hühner oder Hähne geopfert werden und dazu Cola, Fanta oder Sprite getrunken wird, um diese körperliche Freude mit den Heiligen zu teilen.
Lagos de Montebello und El Chiflón: Eine Klaviatur von Blautönen
Die Stadt Comitán, eineinhalb Stunden südlich von San Cristóbal verdankt seine Beliebtheit bei Reisenden der Nähe zu einigen der schönsten Naturphänomene von Chiapas. Also bezogen wir hier Quartier, um gleich am ersten Tag zu den Lagos de Montebello zu fahren. Das Naturschutzgebiet befindet sich nur ein paar Kilometer von der guatematekischen Grenze entfernt und umfasst neben mehreren, von dichtem Dschungel umgebenen Höhlen, 16 Seen von unterschiedlichsten Blautoenen, von ins Gruene reichender Jade bis zum profunden Dunkelblau.
Fast die gleiche Distanz legt man zum Parque El Chiflón zurück, wo sich ein azulblauer Fluss treppenartig zu immer größer und wilder werdenden Wasserfällen aufbauscht und schliesslich im 42 Meter hohen Velo de Novia donnernd aus dem Fels bricht und alles in Gischt hüllt.
Palenque, Yaxchilan und Bonampak: Atmosphärische Zeugen einer vergangenen Hochkultur
Obwohl der Selva Lacandon im Südosten des Bundesstaates nur 1% der Fläche des gesamten Landes einnimmt, ist der tropische Urwald doch Heimat von über 4000 Arten, die zu grossen Teilen leider auf der Roten Liste stehen. An den ersten Ausläufern des Gebiets, auf einem grünen Hochplatteau, von Bäumen mit sonnenschirmgrossen Blättern umrahmt, thronen die Ruinen von Palenque, deren Tempel und Palaeste sich der natuerlichen Umgebung auf beeindruckende Weise anschmiegt. Ab dem 6. Jahrhundert schwang sich die Stadt, von der heute nur rund 5% freigelegt sind, zur lokalen Grossmacht auf, was dem unfassbaren Detailreichtum der Reliefe und Stuckarbeiten, die die Geschichte der Stadt und ihrer Herrscher erzaehlen, zu entnehmen ist.
Rund um die moderne Stadt Palenque, die mehr einem größeren Truckstop ähnelt, befinden sich zahlreiche Wasserfälle, die sich ihren Weg duch die Vegetation bahnen. Die überwältigendste Kulisse für ein Bad im warmen Becken stellt der aus 37 Metern von einem grün bewachsenen Felsabbruch herabdonnernde Wasserfall von Misol-Ha. Fast unberührt verteilen sich in der Gemeinde Roberto Barrios über 20, zu Fuss erklimmbare Wasserfälle und Lagunen auf ein größtenteils unerschlossenes Gebiet.
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Ruinen von Yaxchilan und Bonampak der Welt unbekannt und auch heute noch verströmt der anmutig im Geflecht aus Lianen, grossblättrigen Pflanzen und mächtigen Bäumen liegende Ruinenkomplex eine mystische Aura. Vom verzierten, hoch aufragenden Dachgiebel des Templo Mayor wacht der Herrscher Escudo-Jaguar II über die Hauptplaza und die Schleife des Rio Usumancita, begleitet von einem kakophonen Konzert aus Schreien von Brüllaffen und bunten Voegeln.
Bonampak, wo nur eine Handvoll Gebäuden zugänglich ist, erhielt wegen der, in den ursprünglichen Farben erhaltenen Wandgemaelden, die Szenen aus dem Leben und dem Kult der Maya festhalten, Weltruhm.
Nachdem wir im Reich der Maya fast 1 Monat zugebracht haben, brechen schon unsere letzten 4 Wochen an. Grund genug, ans Meer zurückzukehren und uns auf der Yucatán-Halbinsel die karibische Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Mehr dazu im nächsten Bericht…