AUF NACH CHINA

Es ist Samstag, vier Uhr morgens. Normalerweise befinde ich mich um diese Uhrzeit in den unendlichen Weiten der Berliner Clublandschaft, doch heute holt mich mein Wecker unsanft aus meinem viel zu kurzen Schlaf. Die letzten Sachen werden gepackt, der Koffer die drei Etagen meiner WG in Friedrichshain hinunter geschleppt und irgendwie schaffe ich es im Halbschlaf meinen Weg zum Hauptbahnhof zu bahnen, wo ich in den Zug nach Frankfurt steige. Diesen teile ich mir mit betrunkenen Hertha Fans und zwei Instagram-Püppchen, die demonstrativ die Haare im Zug mit ihrem Glätteisen stylen und ihre Schminkpaletten im ganzen Waggon verbreiten. Nach vier Stunden Fahrt komme ich am Flughafen Frankfurt an und verlaufe mich natürlich im Gewusel, in dem über 60 Millionen Passagiere sich den Weg zu ihrem Gate erkämpfen müssen. Nach einem semi-panischen Telefonat mit unserer Reiseleiterin Christine erblicke ich unter lauter asiatisch-anmutenden Personen eine Gruppierung von Frauen mit unterschiedlichem blonden und braunen Haarwuchs. Wir stellen uns vor und verzweifeln gemeinsam am virtuellen Check-In Anforderungen von China Eastern, der Airline, die uns nach Shanghai bringen wird. Nach erfolgreichem Rätsel raten und meinem Kauf eines Nackenkissens (welches sich als Retter in Flugzeugen & Bussen rausstellen wird!) geht es schließlich in den Flieger.

ANKUNFT IN HANGZHOU

Nach dem 11-stündigen Flug, den ich leider nicht mit Schlafen, sondern mit dem Durchklicken der riesigen Filmauswahl verbracht habe („La La Land“ und „The Passengers“ sind nicht empfehlenswert!) landen wir in Shanghai, wo wir auf unseren Fahrer warten, der uns weiter nach Hangzhou bringt. In der Zwischenzeit realisiere ich, dass es nicht viel Sinn macht eine chinesische SIM-Karte anzuschaffen, da Social Media Kanäle wie Instagram und Facebook nicht ohne VPN funktionieren. VPN wird ein Begriff den ich während der Reise oft anwenden werde. Nach der Busfahrt und ein wenig Schlaf kommen wir in Hangzhou an, wo auf uns ein energetischer chinesischer Guide wartet und uns gleich in das G-20 Kongresszentrum der Stadt schleppen will. Er blickt allerdings in zwölf desillusionierte Gesichter und somit wird der erste offizielle Programmpunkt auf den nächsten Tag verschoben.

Den restlichen Abend verbringen wir mit einem Stadtbummel durch die knapp 9-Millionen-Einwohner-Stadt. Mit dieser nicht mal zweistelligen Zahl ist Hangzhou damit eine „mittelgroße“ Stadt in China und landet auf Platz 8 der bevölkerungsreichsten Städte des Landes. Wir sehen die Anfänge des Kaiserkanals, der die längste von Menschen geschaffene Wasserstraße der Welt ist. Er hat seine Anfänge in im Norden Chinas und endet im fruchtbaren Gebiet um Hangzhou. Durch die geografisch günstige Lage und damit fruchtbaren Klimas war Hangzhou in ihrem 8000-jährigen Bestehen schon zweimal die Hauptstadt Chinas und zählt heute noch zu den eher wohlhabenden Städten im Land. Nachdem wir Salsa tanzende Chinesen beobachtet haben geht es zurück ins Hotel.

WESTSEE | LINYIN TEMPEL

Nach einer komplett gejetlagten und durchzechten Nacht stehe ich übermüdet beim Frühstücksbuffet und pfeife mir Kaffee ohne Ende rein. Das trübe Wetter spiegelt meine blasse Hautfarbe wieder, doch beim Anblick des Westsees hebt sich meine Laune eindeutig. Der Westsee ist zufolge einer Legende so entstanden, dass sich ein Drache und ein Phönix um eine Perle zankten und diese auf die Erde gefallen ist und so den Westsee erschaffen hat. Tatsächlich ist der See aufgrund von Boden-Sedimentation entstanden, bei dem der Westsee vom Teil des Qiantang Flusses sich zu einer Lagune transformiert hat. In China gibt’s insgesamt 36 Seen mit dem Namen „Westsee“, doch der in Hangzhou ist der bekannteste. Bei einer Bootsfahrt auf dem Westsee wird uns verraten, dass die tiefste Stelle nur 3,1 Meter beträgt und die mittlere Tiefe nur 1,5 Meter sei. Bei den riesigen Ausmaßen des Sees und den noch mal riesigeren Bergen um den See herum kann ich mir das kaum vorstellen. „Das ist wie in der Schweiz“, sagt unser Guide, „Leute kommen hier her und denken sie wären in der Schweiz“. Nun gut, mit viel Fantasie und dem Absehen des tropischen Klimas und der ostasiatischen Architektur könnte man das eventuell wirklich denken.

Nach der Bootsfahrt rennt jeder der Reisegruppe zu Starbucks um das Jet Lag zu bekämpfen. Danach geht es weiter zum Linyin-Tempel, der ca. zehn Minuten vom Westsee entfernt ist. Hierbei handelt es sich um ein zen-buddhistisches Kloster, das im Jahre 328 gegründet wurde. Dieser wurde im 9. Jahrhundert während eines christlichen Bauernaufstandes zerstört, sowie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Währenddessen lebten bis zu 3.000 Mönche auf dem Gebiet der Tempelanlage, die als eine der wohlhabendste des ganzen Landes gilt. Trotz der vergleichsweise geringen Bedeutung der Religion in China (mit nur 18% ist der Buddhismus die Hauptreligion in China) ist die Tempelanlage eine der prunkvollsten und größten die ich je gesehen habe. Der Buddhismus ist zusammen mit dem Taosimus und dem Konfuzianismus Teil der „Drei Lehren“, die man in China praktiziert. Die Religionen ergänzen sich weitestgehend gegenseitig und kollidieren nicht miteinander. Zum Beispiel wird im Taoismus die Langlebigkeit als oberstes Ziel angesehen, im Buddhismus steht die Wiedergeburt eher im Vordergrund. Auch die Sternzeichen unterscheiden sich von unserer westlichen Astrologie, in China gibt es die Tierkreiszeichen die nicht nach Monaten, sondern nach Jahren eingeteilt sind. So bin ich mit meinem Jahrgang 1997 vom Tierkreiszeichen Wasserbüffel mit der Eigenschaft Fleiß, die ich jetzt aber eher weniger mir zuordnen würde. Nach der Besichtigung des Hauptbuddhatempels und des Medizinbuddhatempels crashen wir eine Zeremonie, die ausschließlich von mantra-sagenden Frauen abgehalten wird.

TEA TIME | G20 | LICHTSSHOW AUF DEM WESTSEE

It’s Tea Time! Für einen nachmittäglichen Zwischenstopp ging es zur Drachenbrunnen-Teeplantage in das Dorf Longjing. Das ganze Dorf gehört der Familie Mei, die sich auf den Teeanbau und -produktion spezialisiert hat. Sie bezeichnen den Teeanbau als Kunsthandwerk, sodass es kaum verwunderlich ist, dass der Grüne Tee als einer der besten in ganz China gehandelt wird. Wir sehen Teepflückerinnen bei der Arbeit zu, die von Ende März bis September die Teepflanzen pflücken und kriegen eine Dose des berühmten Drachenbrunnentees geschenkt. Ich kann es kaum erwarten in Berlins tristen Wintermonaten eine kleine Teezeremonie abzuhalten!

Anschließend ging es zum lang angepriesenen G20-Kongresszentrum zurück nach Hangzhou. Der G20 Kongress wurde 2016 in Hangzhou abgehalten, sodass ein riesiges Kongressgebäude für die Tagungen gebaut wurde. Seitdem wird es nur für Touristen genutzt – eigentlich schade für so ein riesiges Gebäude, dass übrigens in gerade mal fünf Jahren erbaut wurde! Da kann sich unser BER eine gehörige Scheibe von abschneiden. Während wir also durch die heiligen Kongresshallen gelaufen sind hatte man echt das Gefühl, Merkel & Co würden jederzeit mit Gefolgschaft um die Ecke kommen.

Nach einer Prise Politik ging es zurück zum Westsee, bei dem sich auch das Wetter ein wenig gebessert hat. So schien der See noch mal romantischer und schöner als am Morgen. Für uns wartete ein kleines Highlight auf einer der Inseln: Eine außergewöhnliche Lichtshow, die die Geschichte Hangzhous in leuchtenden Schimmer tauchen sollte. Von der eigentlichen Historie hat man relativ wenig mitbekommen, eher war man eingenommen von der Inszenierung und wie gut der See darin mit eingebunden wurde. Und als auf ein mal „Freude schöner Götterfunken“ und „Der Nussknacker“ performt wurde, entlockte mir das ein kleines Grinsen.

Der Tag endete für mich heißhungrig in einem chinesischen Supermarkt bei unserem Hotel. Dort entdeckte ich chinesische Gurkenchips auf die Empfehlung von Christine, unserer Reiseleiterin. Diese schmecken erst echt seltsam und dann eigentlich ganz schmackhaft.

XIXI NATIONALPARK | ALTSTADT HANGZHOU | WEITER NACH SUZHOU

Den dritten Tag starteten wir mit einer mehr oder weniger erfolgreichen Gemüse-Ernte im Xixi  Nationalpark. Exotische Gemüsesorten wachsen in diesem Biotop, welches 11,5 Quadratkilometer, also über 1.500 Fußballfelder groß ist. Mein neuer Gemüsefavorit heißt Okra und schmeckt ein bisschen wie getrocknete Zucchini, kommt aber tatsächlich aus der Familie der Malvengewächse und trägt gurkenförmige Kapselfrüchte. Auch ganz empfehlenswert ist eine Pflanzenart namens Taro, die angeblich gegen Husten helfen soll. Da ich während der Reise (und mindestens alle zwei Monate in Berlin) an chronischem Reizhusten leide, griff ich beherzt nach den runden Knollen. Außerdem sind wir mit lokalen Fischern durch die kleinen Flussabzweigungen und -verwinkelungen des Nationalparks gefahren, wo wir (oder besser gesagt die Fischer) den Fisch für das Mittagessen gefangen haben. Den Xixi Nationalpark gibt es erst seit 2005, vorher haben tatsächlich noch Fischer und ihre Familien in den Dörfern gewohnt, die jetzt für Touristen frei zugänglich sind. In den kleinen Holzhäusern sieht man typische Accessoires und Wohnutensilien, die die Menschen bis vor 20 Jahren hier tagtäglich benutzt haben. Kleine Propaganda-Bilder und Mao-Portraits zieren die Küchen und Wohnzimmer der Häuser.  Selbst ein „Hochzeitsboot“ schwimmt an einer Anlegestelle, das extra für frisch vermählte Hochzeitspaare durch die Flusslandschaft getuckert ist.

Nach dem Mittagessen mit eigens angebautem Gemüse und von den Fischern gefangenen Fisch geht es zurück nach Hangzhou, diesmal in die Altstadt der Metropole. Hier können wir uns entscheiden ob wir ein Kunstgewerbemuseum besuchen wollen oder individuell durch die Altstadt laufen wollen – ich brauche einen kurzen Spaziergang nur für mich, und die interessanten Fotomotive, die auf mich warten könnten. Und tatsächlich – in den Gassen der Altstadt spüre ich auch Menschen auf, die ihrem alltäglichen Leben nachgehen: Männer, die Majong und Frauen die Karten spielen, streitende Menschen, Menschen während einer Akupunktur, schlafende Menschen – ich spiele den stillen Beobachter mit der Kamera, der verwegen die interessanten Szenen anvisiert und sich möglichst schnell aus dem Verkehr zieht. Da ich selber mit meinem blonden Haaren oft als Fotomotiv hier in China diene, sehe ich den Prozess als eine Art „Geben und Nehmen“ und habe null schlechtes Gewissen wenn ich mit meiner Kamera das chinesischen Leben festhalte. Mit einer immer voller werdenden Speicherkarte geht es zurück zum Reisebus, der uns zum zweiten Ort unserer Route bringen soll, nämlich Suzhou. Was dort alles so passiert, lest ihr im zweiten Teil!

KOOPERATION

Die Reise nach China fand auf Einladung mit dem Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China statt:  Folgt unserem Partner auch auf Facebook und Instagram. Sämtliche redaktionell entstandenen Beiträge bleiben von der Kooperation unberührt.

Wir haben uns über das tolle Programm gefreut und sagen Danke für die Organisation der Reise! #discoverchina2017