Während der Herbst in Deutschland Einzug hält, treibt es viele noch einmal raus in die wärmeren Gefilde Europas. Manche sogar noch einen Katzensprung weiter – in den Norden Afrikas. Kein Wunder, dass Länder wie Tunesien und Marokko bei Urlaubern aus Europa gerade in den Herbstmonaten September, Oktober und November beliebte Ziele sind. Während das Thermometer in Deutschland gerne mal am Gefrierpunkt kitzelt, ist es in Marokko beispielsweise noch richtig heiß für Zentral- und Nordeuropäer.
So ging es für mich im Herbst letzten Jahres erstmals nach Marokko. Um genauer zu sein nach Marrakesch, eine Stadt, von der mich schon allerlei Erzählungen ereilten und sie nicht nur deswegen hoch im Rang stand, als die Entscheidung her musste: Wie entfliehe ich dem deutschen Herbst? Relativ kurzfristig gebucht ging es also für mich und Björn von Monocle Films für knapp eine Woche nach Marrakesch, eine Stadt, welche mir im Nachhinein betrachtet, einiges abverlangte und doch so viel gegeben hat.
Ich habe die rote Stadt – wie die Medina von Marrakesch auch bezeichnet wird – einfach auf mich wirken lassen. Manchmal hat sie mich wohl überrollt. Doch das ist nur einer der Gründe warum ich euch, liebe Leser, gerne erzähle was ich erleben durfte und was auch ihr nicht verpassen solltet. Ich möchte euch auch zeigen, warum ich diese Reise nie vergessen werde.
Wir verlassen gegen 12 Uhr Mittags den Flieger am internationalen Flughafen von Marrakech. Warmer Wüstenwind bläst uns um die Nase, die Sonne steht um diese Uhrzeit am höchsten. Während wir vor dem Flughafen auf unser Transfer warten, genießen wir die ersten Minuten im sonnigen Marokko. Wenige Minuten später bremst ein Fahrer scharf vor unseren Füßen, winkt uns ins Auto und fährt uns auf der zweispurigen Straße so ziemlich alle Verkehrsregeln missachtend in Richtung der Innenstadt von Marrakesch. Vorbei an Pferdekutschen und die Mauern der Medina sind wir endlich angekommen inmitten des Trubels der Stadt aus 1001 Nacht.
Unser Fahrer gibt uns zu verstehen, dass er bis hier hin fahren kann und nicht weiter. Wir befinden uns nun auf einem berühmt berüchtigten Platz der Stadt, dem Djemaa el Fna, der hiesige zentrale Marktplatz, welcher aufgrund seiner orientalischen Atmosphäre von Touristen und Einheimischen gleichermaßen geschätzt wie auch verflucht wird. Zu Abend herrscht ein wildes Treiben mit Gauklern, Händlern, Wahrsagern, Geschichtenerzählern und Schlangenbeschwörern. Doch auch am helllichten Tage sind die Eindrücke auf diesem ausufernden Areal nicht zu unterschätzen.
Leicht überfordert stehen wir hier, zwei irritierte Europäer, als mir auch schon der erste Affe auf meine Schulter springt. Zum Glück kommt uns Said, der für das Riad Zarka arbeitet in dem wir die ersten sechs Nächte verbringen, schnell zur Hilfe und guided uns durch das heillose Durcheinander tausender Straßen und verwinkelter Seitengassen, den sogenannten Souks. Inmitten der Medina Marrakeschs verstecken sich in unzähligen Seitenstraßen ebenso viele Riads, eine typische marokkanische Behausung. Wer inmitten der Medina von Marrakech nächtigen will, der kommt kaum umhin in einem Riad zu verweilen, schließlich befinden sich alle westlichen Hotels zumeist weit außerhalb in der Neustadt. Wer jedoch die echte Experience erleben will, dem sei ein Riad als Alternative zu einem klassischen Hotel wärmstens empfohlen.
Bei der Vielfalt der Riads fällt die Entscheidung zweifelsohne nicht leicht, zumal die schönsten wirklich gut versteckt sind. Said, der bereits wenige Tage später zu unserem Freund wurde, guided uns aber zielsicher vorbei an unzähligen Händlern in eines dieser traditionell marokkanischen Häuser, das einen geschlossenen Innenhof oder einen Garten hat. Während der ohrenbetäubende Lärm und Trubel noch eben für Erschöpfung sorgte, senkt sich der Geräuschpegel mit schließen der Tür von Riad Zarka. Pflanzen ranken an Mosaik verzierten Wänden, einer kleiner Brunnen plätschert langsam vor sich im Innenhof des Riads vor sich hin, der Duft von Gewürzen erfüllt den Raum, unter dem offenen Dach zwitschert ein Vogel vor sich hin und Said schenkt uns gastfreundlich wie er ist erst einmal einen Tee ein. Wir sind angekommen. In Marokko, in Marrakech, in unserem Riad.
Die Auswahl der Riads in Marrakesch ist vielfältig und verwirrend zugleich. Schier unendliche Möglichkeiten bietet der Markt. Es gibt kleine Riads, größere Riads, etwas ursprünglichere oder eben auch luxussanierte, wie beispielsweise das Riad Yasmin, welches wahrscheinlich zu den bekanntesten Riads ganz Marokkos gehört. Auch wir kannten es von Bildern und wollten uns einen eigenen Eindruck machen. Da wir zudem keinen Pool hatten war es eine gelungenen Abwechslung einen Nachmittag hier zu verbringen und dem Trubel der Straßen Marrakeschs erneut zu entfliehen, eine typisch marokkanische Tajin zu genießen, im schattenspendenden Innenhof ein Nickerchen zu machen und schließlich auch um Abkühlung im Pool zu suchen.
Wer sich für ein Riad entscheidet, dem bedeutet es was nicht nur in einem einfachen Bett zu nächtigen – hier taucht man in die Kultur und Lebensweise der Marokkaner ein. Dank ihrer Bauweise sind sie nicht sonderlich groß, weshalb es oftmals nur wenige Zimmer gibt. Dafür ist alles sehr familiär und privat. Sobald man das Riad betritt lässt man das Tumult der Souks hinter sich, von den Dachterassen der Riads blickt man auf die Ferne der Stadt oder bei gutem Wetter sogar bis auf die Umrisse des Atlasgebirges, dass sich am Horizont mit schneebedeckten Gipfeln auftürmt. Jeden Abend ereignet sich das selbe Spektakel: die untergehende Sonne taucht die Stadt in sattem Rot, die Luft ist noch sanft erfüllt von der Wärme der Wüste und während der Muezzin zum Gebet ruft stellt man fest: Wir sind im Orient angekommen.
Raus aus dem Riad, rein in den Trubel. Für volle drei Tage stürzen wir uns in das Abenteuer Medina. Sie zeigt die marokkanische Stadt von seiner lebhaftesten, ursprünglichsten und auch chaotischsten Seite. In den vielfältigen Souks lernt man die Seele Marrakeschs mit allen Sinnen kennen. Man riecht die Gerüche von Gewürzen, Tees und Gärbereien. Man bestaunt den Trubel der Stadt, der wie es scheint nur wenige Stunden Nachts zum erliegen kommt und man schmeckt die vielfältigen Gerichte der Garküchen, die vor allem am späten Nachmittag an nahezu jeder Ecke öffnen. Die Medina von Marrakesch, wie die Altstadt in vielen arabischen Ländern genannt wird, zählt nicht ohne Grund zum UNESCO-Weltkulturerbe und macht Marrakesch neben Fes, Meknès und Rabat eine der vier marokkanischen Königsstädte.
Nirgendwo sonst lässt sich die einzigartige Atmosphäre aus 1001 Nacht so authentisch erleben wie in den engen, verwinkelten und bunten Straßen der Medina. Das Erscheinungsbild ist noch heute ein wunderbares Beispiel für die mittelalterliche Architektur einer islamischen Stadt. Nirgendwo sonst in ganz Marokko sind die Märkte noch derart weitläufig, farbenfroh und laut wie in den Gassen von Marrakesch, der roten Stadt. Rot wird die Stadt von Marrakesch übrigens genannt, weil sie von ihrer heute 20km langen Riten Stadtmauer aus dem Jahr 1126 umgrenzt wird. Im Jahr 1071 von den Almoraviden gegründet, war sie einst Hauptstadt Marokkos und ist noch heute die Lieblingsstadt des Königs, der hin und wieder einen Besuch abstattet um nach dem rechten zu sehen.
Man sagt Fehler macht man nur einmal. Aus diesem Grund haben wir bereits nach unserem zweiten Tag in Marokko ziemlich schnell verstanden, wann die beste Zeit ist durch die Souks der Stadt zu schlendern. Der Morgen und der frühe Nachmittag erweisen sich am besten. Nicht nur um den geführten Touristengruppen aus dem Weg zu gehen, sondern auch um ins Gespräch mit den Händlern zu kommen, sondern auch um mit ihnen um die besten Preise zu feilschen. Bei dem Fest der Sinne fällt es leicht in einen wahren Kaufrausch zu kommen, schließlich wird hier alles nur erdenkliche angeboten. Die Gassen der Eisen- und Kupferschmiede verfehlt man aufgrund des lauten Hämmerns genau so wenig wie die Straße der Teppichverkäufer, welche die liebevoll und bunt gewebten Berberteppiche von den Terrassen der Häuser hängen. Die Eindrücke sind vielfältig wie überfordernd – ein Glück findet man viele Orte der Entspannung wenn es die eigenen Sinne nicht mehr schaffen, das Gesehen zu verarbeiten.
Du liebst es das High Life zu leben? Dann ist Marrakesch die perfekte Stadt für dich und von oben sieht sie ganz besonders toll aus. Um den schier unendlichen Chaos der Souks und Bazaare zu entkommen gibt es eigentlich kaum eine bessere Gelegenheit als den Weg nach oben zu suchen und sich wenigstens für eine kurze Zeit eine Auszeit des Trubels zu gönnen. Wir haben drei Rooftop Restaurants unter die Lupe genommen die unterschiedlicher nicht sein könnten jedoch jeder Rooftop für sich seinen ganz eigenen Charme hat.
Unser erster Stop führte uns in das unweit unserer Riads gelegene Café Des Épices welches am Platz Rebha Kedima vor den Souks in Medina gelegen ist. Es bietet nicht nur einen atemberaubenden Blick auf den Trubel des Marktes von der wunderbaren Terrasse an von der aus man dem bunte Treiben bei einem Tee zuschauen kann. Zudem eröffnet es vor allem bei Sonnenuntergang einen wahnsinnigen Blick auf das Atlasgebirge, welchen man bei köstlichen traditionellen Tajines und leckeren Smoothies genießen kann.
Unweit des Café Des Épices gelegen befindet sich zudem das durchaus berühmte und heißbegehrte Restaurant Nomad, welches nicht nur etwas hochpreisiger sondern noch etwas schöner ist. Eine Reservierung ist dringend zu empfehlen, da das Restaurant zu jeder Zeit gut besucht ist und man sonst, besonders auf der Dachterrasse, keinen Platz mehr bekommt. Zum Glück konnten wir bereits am Tag unserer Ankunft einen Platz für einen der darauffolgenden Tage reservieren und unseren letzten Abend hier gemütlich ausklingen lassen. Im Restaurant wird man freundlich empfangen und zu einem der Plätze auf der obersten von vielen Dachterassen gebracht. Die Aussicht über die Médina von der Terrasse ist herausragend, schließlich ist der Rooftop einer der höchsten den man in Marrakesch finden kann. Kurz nach unserer Ankunft versinkt die gleissende Sonne blutrot hinter den Dächern der Medina. Stille kehrt ein, die Gäste erheben sich und genießen stillschweigend diese magische Atmosphäre bis die Sänge des Muezzin erklingen und abermals für Gänsehaut sorgen. Während die bisher besuchten Restaurants vor allem bodenständige Küche bieten, ist die Küche des Nomads deutlich kreativer. Die Gerichte sind zwar kleiner und teurer als im restlichen Marrakesch aber dennoch sehr zu empfehlen. Wer seinem Marrakesch Aufenthalt also mit einem Highlight beenden will, der sollte dem Nomad unbedingt einen Besuch abstatten.
Einen weiteren Stopp legten wir im ebenso bekannten Max & Jahn ein. Etwas weiter vom Djemaa el Fnaa entfernt versteckt sich im Innenhof eines Riads eine schmucke Boutique sowie ein Restaurant mit Rooftop, welches man unbedingt besucht haben muss. Bei unserem Abstecher in den nördlichen Teil der Souks sind wir zufällig auf das weiße Gebäude gestoßen, welches auf dem Dach auf wundersame Weise zum Verweilen einlädt. Neben kleinen Snacks gibt es erfrischende Drinks unter schattenspendenden Sonnenschirmen – die beste Gelegenheit um der gleissenden Mittagssonne zu entgehen und das Gesehene zu verarbeitet. So schnell einen die Stadt mit all ihren Eindrücken überrollt, so schnell findet man zum Glück einen der vielen tollen Rooftops der Stadt.
Es wundert kaum, dass es in der 1000 Jahre alten Stadt viele Sehenswürdigkeiten zu erkundigen gibt, die einem die Geschichte dieses ganz besonderen Ortes näher bringen. Denn wäre die geschichtsträchtige Medina nicht schon sehenswert genug, so gibt es einige besondere Orte, die bei keinem Marrakesch Urlaub fehlen dürfen.
Dazu gehört unter anderem der Djemaa el Fna, der mit Sicherheit bekannteste als auch verrückteste Platz Marrakeschs, Marokkos, ja wenn nicht sogar Afrikas. Er wäre ein gewöhnlicher Platz, würden sich hier keine Menschen aufhalten, doch immer zur Dämmerung verwandelt sich der „große Platz“, wie man ihn in Marrakesch nennt, zu einem Platz des Spektakels aus 1001 Nacht. Das pulsierende Herz der Stadt, von dem die verschiedenen Gassen wie Adern weit in die Souks reichen, wurde von der UNESCO als Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit gerühmt. Wer einmal vor Ort, weiß warum. Morgens geht es ruhig zu. Es werden frische Säfte und Obst verkauft, Henna-Malerinnen warten auf erste Kunden und Schlangenbeschwörer betreten gegen Mittag den Platz und erwecken ihn mit Flötengeräuschen. Am Nachmittag weichen die Saftstände den Garküchen, die ihre Grills langsam anfeuern. Sobald die Sonne am Horizont verschwindet weichen Schlangenbeschwörer und Gaukler und machen Platz für Geschichtenerzähler, Wahrsager und andere Artisten. Es ist wie ein Wanderzirkus, der erst tief in der Nacht langsam zur Ruhe kommt.
Denkt man an Marrakesch dann denkt man auch an Paläste und von denen findet man reichliche prunkvolle Ausführungen in der Stadt. Während die einen noch gut erhalten sind, hat der Zahn der Zeit an den anderen bereits kräftigt genagt. Eine der schönsten Paläste ist der Bahia-Palast des Großwesirs You Ahmed. Er wurde 1867 im maurisch-andalusischen Stil erbaut und ist mit insgesamt 160 Räumen einer der größten und natürlich prunkvollsten Paläste von Marrakesch. Mit wunderschönen Mosaiken und Arbesken aus Zedernholz verzierte Räume wechseln sich mit malerischen Patios und Gärten ab, in denen Orangenbäume, Bananenstauden, Zypressen, Hibiskus und Jasmin wächst und gedeiht. Wer einmal vor Ort war, weiß warum der Palast den Beinamen „Der Strahlende“ trägt. Es ist ein Meisterwerk marokkanischer Architektur und eines der wichtigsten Denkmäler des kulturellen Erbes des Landes. Die marokkanische Königsfamilie von König Mohammed VI lässt es sich aus diesem Grund auch nicht nehmen bei einem Besuch in einem privaten Teil des Palastes zu nächtigen.
Während der Bahia-Palast zu den gut erhaltenen Palästen der Stadt gehört, scheint der El-Badi Palast nicht mehr im Glanz vergangener Zeit. „Der Unvergleichliche“, wie man ihn auch nennt, gehört zwar zu den meistbesuchtesten Bauten der ehemaligen marokkanischen Königsstadt, allerdings zeugen nur noch wenige Überreste vom Palast des mächtigen Sultan Ahmed el-Mansour, der sich selbst der Prächtige nannte. Der von 1578 bis 1608 erbaute Palast liegt im Kasbah-Viertel, knapp 1 Kilometer südlich des Jemaa-el-Fna unweit der Saadier-Gräber. Der Palast ist noch heute von einer gut erhaltenen 135×110 Meter langen Lehmmauer umgeben, hinter der man minatrettlose Moschee und die Bodenfließen des einstigen Thronsaales findet. Auf der Südseite befindet sich das königliche Hammam. Der Innenhof ist in vier Segmente unterteilt, in denen vertieft Obstbäume und duftende Blütenstäuche sowie ein langgestricktes flaches Wasserbassin angelegt wurden. Heute lässt sich nur noch erahnen, wie prachtvoll der El-Badi Palast während seiner 100 jährigen Existenz einmal gewesen sein muss.
Ein weiteres Marrakesch Highlight findet man außerhalb der Medina. Jardin Majorelle gehört zu den meistbesuchtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt und ist ein Garten, der Yves Saint Laurent gehört, der sich hier immer wieder Inspiration für seine Kollektionen geholt hat.- Geschaffen wurde diese einzigartige Oase einst vom französischen Maler Jacques Majorelle, der nicht nur Pflanzen aus aller Welt gezogen hat, sondern auch eine Art Decó Villa in intensivem blau erbaut hat, die heute nahezu Fotomotiv eines jeden Marrakesch Touristen ist.
So viele schöne Eindrücke in Marrakesch auch erhaschen kann, so schnell kann einen der Trubel der Stadt auch überfordern. Um den Trubel der Stadt zu entfliehen haben wir uns wie viele andere Touristen auch dazu entschieden, einen Abstecher zu den dramatischen Ouzoud-Fällen zu machen, die beliebtes Postkartenmotiv Marokkos sind. Die Wasserfälle befinden sich in der Nähe des Dorfes Ouzoud in der Provinz Azilal, welche im Zentralatlas gelegen ist. 150km nordöstlich von Marrakesch findet man die höchsten und schönsten Wasserfälle Marokkos.
Ouzoud ist in der Berbersprache das Wort für Olive und bezieht sich auf die Olivenbäume in der Nähe der Fälle, welche in mehreren Etagen insgesamt 110 Meter über rote Felsen eindrucksvoll in die Tiefe stürzen. Die Ufer sind von Feigenbäumen und urwaldähnlichen Lianen bewachsen, in denen sich Berberaffen von Baum zu Baum oder manchmal auch auf einen Touristen schwingen. Auf einem steilen Weg gelangen wir durch Olivenhaine nach unten an den Fuße des Wasserfalls bevor wir mit einer Fähre den Fluss überqueren und direkt unter den beeindrucken Wasserfall fahren, dessen Sprühnebel an diesem Nachmittag einen wunderschönen Regenbogen wirft. Steile Treppen führen uns an der anderen Seite des Wasserfalls hoch zu einem Restaurant mit Terrasse, auf der wir bei einer Tajin für weitere 30 Minuten dieses einzigartige Naturschauspiel bestaunen. Wir haben für wenige Stunden Großstadtlärm gegen Natur pur getauscht und dabei fast vergessen, was wenige Stunden später wieder in Marrakesch auf uns zukommt.
Ungeplant wurde am folgenden ein kleiner Traum wahr. Said, der nette Gastgeber in unserem Riad leistet uns mit seiner Shisha am Abend Gesellschaft auf dem Rooftop. Said stammt einer echten im hohen Atlas lebenden Berberfamilie ab und lädt uns ein am folgenden Tag in das kleine Dorf zu begleiten, in dem seine Familie noch immer lebt. Überrascht von so viel Gastfreundschaft willigen wir natürlich dankend ein und sitzen bereits wenige Stunden später mit Said musikhörend im Auto. Wir verlassen Marrakesch in westlicher Richtung während Said auf die schneebedeckten Berge des Atlas Gebirges zeigt. Seine Mutter wohnt mit seinen zwei jüngeren Schwestern in Al Haouz, einer Provinz im Hohen Atlas – auch Said ist hier aufgewachsen bevor er mit dem Ziel einer besseren Zukunft nach Marrakesch zog. Oft sieht er seine Familie nicht, doch an diesem Tag fährt er beeindruckenden Serpentinen das Tal hoch, welches er vor Jahren nach unten reiste. Nach einer knapp zweistündigen Autofahrt durch Berberdörfer und vorbei an beeindrucken Felsformationen erreichen wir das Dorf, in dem Said aufgewachsen ist. Viele seiner Freunde leben noch immer hier und finanzieren sich von ein wenig Landwirtschaft und einigen wenigen Touristen, die sich so hoch in das Atlasgebirge verirren.
Nach einem standesgemäßen Tee zeigt uns Said das Dorf auf den Rücken von zwei Eseln. Vor einem kleinen provisorischen hergerichteten Gebäude sitz seine kleine Schwester mit ihren Schulkameraden auf die Lehrerin wartend. Heute wird sie jedoch nicht erscheinen – kein Problem. Alle Kinder verteilen sich und gehen in durch die engen Gassen nach Hause zu ihren Familien. Wir gehen mit ihr und betreten das Haus seiner Familie. Die ältere beider Schwestern hat bereits eine vegetarische Tajin vorbereitet während Said Geschichten vom Dorf erzählt. Viel haben die Menschen hier nicht, denn vor allem im Vergleich Marrakesch ist die Armut deutlich spürbar. Kein Wunder, dass Said hin und wieder Geld zu seiner Familie schickt. Nachdem wir uns von seinen Schwestern verabschieden führt er uns an einem zerfallenen Gebäude vorbei. Sein großer Traum ist es hier einmal eine Pension zu eröffnen und auch anderen Touristen, so wie uns zu zeigen wie Berber hier auf traditionelle und simple Art und Weise leben.
Eine Nacht in der Wüste verbringen. Das wünscht sich mit Sicherheit so ziemlich jeder Marrakesch-Besucher, schließlich liegt die Sahara ja nur einen Katzensprung entfernt. Nicht ganz. Denn wer wirklich in die Sahara will sollte gut drei Tage zusätzlich einplanen. Für die Anreise und Rückreise benötigt man allein zwei Tage. Wir entscheiden uns also zum Abschluss unseres Marokko-Urlaubs für die entspanntere aber nicht weniger schöne Variante: Camping in der nah an Marrakesch gelegenen Agafay-Wüste. Knapp 45 Minuten vom Trubel von Marrakesch entfernt liegt diese kleine Oase südlich von Marrakesch. Der einzige Wermutstropfen ist, dass die Agafay Wüste eine Steinwüste ist. Genau so endlos weit und beeindruckend wie die große Schwester, nur eben ohne Sand.
Unser Fahrer vom GSN Camp Agafay holt uns für die letzten zwei Tage am großen Platz in Marrakesch ab und bringt uns auf direktem Weg in das Camp, welches wir für die kommenden zwei Nächte sogar ganz für uns alleine haben sollten. Wir verlassen Marrakesch in Richtung Süden bis wir nach knapp 30-minütiger Fahrt nach Links abbiegen. Wenige Minuten später eröffnet sich auch schon der Blick von einer kleinen Anhöhe auf die schier unendliche Wüste, welche ganz am Horizont in das Atlasgebrige übergeht.
Vor Ort werden wir vom Koch, die einzige weitere Person im Camp, in Begrüßung genommen und in die Zelte gebracht, die liebevoll und komfortabel mit Betten ausgestattet sind. Pünktlich zum Sonnenuntergang sehen wir die Silhouette von zwei Kamelen, deren Rücken uns für die kommende Stunde in einen epischen Sonnenuntergang tragen. Nach acht aufregenden Tagen in Marokko erleben wir erstmals absolute Ruhe. Nur in der Ferne hören wir zwei heulende Hunde, welche hier wild leben während der lauwarme Wind durch unsere Gesichter fährt.
Zurückgekehrt am Camp bekommen wir unter freiem Himmel auch schon unsere Tajin serviert, die wenige Stunden vorher frisch in der offenen Küche zubereitet wurde. In dieser einzigartigen Kulisse lassen wir den Abend bei aufgehendem Vollmond bei einem Lagerfeuer ausklingen und können unser Glück kaum fassen. Der zweite Tag im Camp startet nach einem ausgiebigen Frühstück bei Sonnenaufgang mit einer zweistündigen Quadtour weit in die Agafay Wüste. Hoch auf einer Düne besuchen wir einen hier lebenden Berber der uns gastfreundlich wie er ist einen Tee serviert. Warum er hier lebt wird mir am Abend erneut deutlich: grenzenlose Freiheit, diese Kulisse und die Ruhe, welche wir in Marokko hier erstmals wirklich erleben und genießen. Bei einem letzten Abend am Lagerfeuer blicken wir auf 10 Tage Marokko zurück und fassen einstimmig den Beschluss: Marokko, wir haben noch lange nicht genug. Wir kommen wieder.
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