Kaum ein Land ist für seine vielfältigen Subkulturen bekannt wie das ostasiatische Japan. Während hierzulande es oftmals den Anschein erweckt, dass Jugendliche alle einen ähnlichen Style adaptieren, strotzen die Straßen japanischer Metropole nur so von buntem Individualismus in verschiedenen Ausprägungen.

Besonders der Bezirk Harajuku in der Megacity Tokio ist als Epizentrum für neuentwickelnde und alteingesessene Subkulturen weltweit bekannt. Manche Jugendgruppen existieren schon seit mehreren Jahrzehnten, manche wiederum sind in den letzten Jahren aufgrund verschiedener Trendbewegungen entstanden. Wir haben für euch die spannendsten Subkulturen rausgesucht, die ihr so auf den Straßen Harajukus finden könnt!

1. Kawaii

Für das japanische Wort „Kawaii“ gibt es viele unterschiedliche Übersetzungen wie „süß“ oder „niedlich“ doch die direkte Übersetzung aus dem japanischen Alphabet heißt „Fähigkeit, geliebt zu werden“. Entstanden ist die süßeste Bewegung Japans in den 70er Jahren, als Stifte mit dünneren Minen produziert wurden, die junge Mädchen für schnörkelige, weiche Schrift (anders als die normalerweise kantige japanische Zeichenschrift) und Emojis benutzten. Darauf folgte eine ganze kulturelle Welle, die sich nicht nur auf Mode beschränkt, sondern auf ein Lebensgefühl, Architektur, Essen und Kunst allgemein zurückgreift. Es gibt unzählige Unterformen des Kawaii Stils wie der (Gothic) Lolita (siehe unten) und dem neueren Yamikawaii, eine neue Interpretation des Emotrends aus den 2000ern, der (psychische) Krankheiten mit dem süßen Look verbindet.

Diesen Samstag widmet sich übrigens ein ganzes Festival der japanischen Subkultur – das „Kawaii Festival“ in Berlin lädt Anhänger und Interessenten zu spannenden Performances und tollen Meet and Greets mit ihren Harajuku Stars ein.

Ein Beitrag geteilt von Canniny (@canniny) am

2. Japanische Chicanos

Ein Hauch von Mexiko in Fernost: Früher wurde die Bezeichnung „Chicano“ abwertend für die mexikanische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten benutzt, mittlerweile haben die Latinos den Begriff selber übernommen und nennen sich gegenseitig so. Doch auch auf der anderen Seite der Erde findet der Begriff zunehmend Anhänger: Gekleidet in langen Shirts, Sneakers und Braids adaptiert eine kleine Gruppe von japanischen Jugendlichen den Lebensstil der Mexikaner. Sie fahren mit ihren Motorbikes durch die Gegend und hören japanischen Gangsta-Rap.

3. Street Kei

Ein Trend jagt den nächsten beim Street Kei Style: Die Jungen und Mädchen orientieren sich stark an popkulturellen Internetseiten wie Hypebeast und High Snobiety um das nächste große Ding in der Street Wear Szene zu ergattern. Populär sind Street Wear Marken wie Supreme und das japanische A Bathing Ape. Stark inspiriert von der (westlichen) Skatekultur sieht man die Vertreter von Street Kei bei den Neuerscheinungen von Sneakern & Co (sogenannte „Drops“) Schlange stehen.

4. Cosplay

Der sogenannte „Cosplay“ Kleidungsstil ist wohl einer der bekanntesten Subkulturen die auch weit über den asiatischen Raum bekannt ist. Dabei stellt man mit seinem Outfit und seinem allgemeinen Auftreten einen Charakter oder eine Figur aus einer fiktiven Comic-, Manga-, oder Filmwelt dar. Ob Bösewicht oder Superheld, Mensch oder Monster – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. In Japan haben manche Cosplayer so einen Kultstatus erlangt, dass sie auf Sammelkarten abgedruckt werden.

5. (Gothic) Lolita

Während viele Mädchen in Japan auf den zuckersüßen, pastellbunten Prinzessinenlook schwören, kleiden sich die sogenannten „Gothic Lolitas“ in dezente und dunkle Farben. Dabei nehmen sie Inspiration aus verschiedenen historischen Kleidungsstilen aus Europa, wie dem viktorianischen Zeitalter. Komplett in schwarz gehüllte Girls werden auch Kuro Lolita (von jap. kuroi, dt. schwarz) genannt.

6. Fairy Kei

Wie aus einem quietschbunten Comic entsprungen sehen die Vertreterinnen des „Fairy Kei“ Stils aus. Sie orientieren sich stark an 80er Jahre Cartoons wie „My Little Pony“ oder den „Glücksbärchis“. Allgemein ist ihr Look aus der poppig-bunten Welt der 80er inspiriert, aber anders als bei anderen Subkulturen schneidern die Fairy Keis oft ihre Klamotten selbst. Beliebte Motive sind z.B. Einhörner, Kätzchen, Sterne und Regenbogen. Ihre Frisuren sind von den bunten Schweifen der „My Litle Pony“ Pferdchen inspiriert und leuchten in bunten Farbübergängen.

7. Gyaru/ Ganguro / Yamanba

Als wären die 20000er nie weg gewesen, leben auch heute noch viele Jugendliche den „Gyaru“-Lifestyle. Obwohl er schon seit den 70ern Jahren in Japan eingeführt wurde, gewann er vor allem in den 90ern/00er Jahren an extremer Popularität. Der Term „Gyaru“ ist dabei die Überbezeichnung für verschiedene Unterkategorien für den girly, sehr westlich orientiertem Style. Fake-Bräune, Fake-Wimpern und grelle Klamotten gehören hier zum Erscheinungsbild. Yamanba ist die heftigste Auslegung des Gyaru-Styles und definiert sich durch eine fast schwarz anmutenden Fake-Tan in Kontrast zu weißem oder neonfarbenen Make Up.

8. Bosozoku

Aus der in den 19050er Jahren sich entwickelten Nippon Automobilindustrie entwickelte sich auch die Bosozoku (zu deutsch: „aus der Kontrolle geratener Stamm“) Jugendkultur. Damals noch als kaminari-zoku (雷族, „Donner-Gangs“) bezeichnet, knattern sie mit ihren Motorrädern durch die Straßen Japans und durch ihren wilden und aggressiven Fahrstil bekannt. Selbst die Polizei hat ihren eigenen Code für die verschiedenen Biker-Gangs („maru-so“). Die meisten Mitglieder sind unter 20 Jahre alt, da man sich danach durch das Erwachsenenalter für gefährliche Straßenrennen strafbar macht.

Ein von @bosozoku.style geteilter Beitrag am

9. Rockabilly

Rock n‘ Roll never dies! Und das wird nirgendwo so gut verkörpert wie im Yoyogi Park in Tokio jeden Sonntag, wo sich Anhänger der Rockabilly Kultur zusammenfinden und längst vergangene Zeiten zelebrieren. Anders als die Bosozokus (siehe oben) sind die Rockabillys eher friedlich gesinnt und zeichnen sich eher durch den gemeinsamen Musik- und Kleidungsstil aus.

10. Mori Kei

Mori Bei ist eine vergleichsweise junge Subkultur im japanischen Modehimmel und entstand um 2007 rum. Übersetzt bedeutet der Ausdruck „Ein Mädchen das aus dem Wald kam“ und deutet auf die Natürlichkeit und Naturverbundenheit des Looks hin. Viele Layerings, warme Erdtöne und natürliches (oder gar kein) Make Up sind signifikant im Erscheinungsbild. Viele würden den Mori Kei Style mit unserem „Vintage-Look“ vergleichen.

11. Wamono

Tradition trifft auf Moderne: Beim Womono Look kombiniert man traditionelle Muster und Gewänder wie den Kimono mit neuen Einflüssen und modernen Farben. Auch die Länge der ursprünglichen Kimonos ist drastisch verkürzt. Manchmal findet man auch Abwandlungen mit indischen oder anderen ostasiatischen Merkmalen.

Ein Beitrag geteilt von Oksana (@blue_oksana) am

12. Zentai

Die Zentai Subkultur steht in einem völligen Kontrast zu den restlichen Lebensstilen der Jugendlichen Japans: Der gesamte Körper wird durch einen latex-artigen Anzug bedeckt, der mal bunt, mal schwarz und mal einem Spiderman-Kostüm ähnelt. Anders als die anderen Subkulturen feiert dieser Trend die Anonymität, da man die Identität des Anzugträgers nicht erkennen kann. Der Trend soll seine Ursprünge im Cosplay haben (siehe oben), bei dem sich die Angehörigen als mystische Superhelden verkleiden.

Die Liste von faszinierenden Subkulturen aus Harajuku könnte ewig so fortgesetzt werden, jährlich entstehen neue Subformen bereits bestehender Lebensstile oder trendige Neuerscheinungen rund um Tokios dynamischsten Bezirk. Doch das Kulturgut ist in Gefahr: Aufgrund der anstehenden Tokio Olympics 2020 soll das Gelände rund um den historischen Bahnhof Harajuku modernisiert werden. Was das für das Gelände, welches früher während der amerikanischen Besatzungszeit die Brücke zwischen Ost und West symbolisierte bedeutet, ist ungewiss.