Wer Lust auf Salzwasser, raue See und noch rauere Seemänner hat, der fährt nach Hamburg. Für’s Prosecco-Wochenende mit der besten Freundin geht’s ins Schumann’s und nach München und nach Berlin wollen ja sowieso die ganze Zeit alle. Eine auch von mir lange Zeit unterschätzte deutsche Metropole ist hingegen Frankfurt am Main. Finanzstadt, hab ich lange Zeit gedacht, die selbst von Bankern Freitagabend fluchtartig verlassen wird, da alle zurück zu ihren Familien in die reichen Vororte fahren. Zugig, Industrie, Wirtschaft waren Begriffe, die mir als erstes in den Sinn kamen. Eine kalte Stadt im Schatten der Bankentürme.
Obwohl ich schon ein paar Mal da gewesen bin, musste mich erst ein Job für einige Monate nach Frankfurt bringen, wodurch ich mich zwangsläufig mit der Stadt auseinandersetze. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. Ja, Frankfurt und ich, das war Liebe auf den 2. Blick. Doch genau dafür schätze ich die Stadt nun: Für das Unoffensichtliche, man muss sich auf die Mainmetropole eben wirklich einlassen, sie für sich selbst entdecken. Denn nirgends in Deutschland sind die Kontraste schärfer, zwischen Armut und Geld, Trash und Hochkultur. Im Zentrum vereint sich auf engstem Raum bürgerlicher Wohlstand, Kriminalität und Prostitution.
Wenn man das Ganze einmal wirklich auf sich wirken lässt, hat Frankfurt seinen ganz eigenen Charme: Eine Stadt zwischen zugekoksten Bänkern und Alt-68ern. Ja genau, hier begann die damalige Studentenbewegung, Politiker wie Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit warfen in Frankfurt mit den ersten Pflastersteinen.
Internationaler Chic trifft auf Geld und Drogen — eine geradezu explosive Mischung.
„In analogy to Frankfurt’s Mainhatten skyline, downtown New York is often called Manhattan“, heißt ein Zitat des Schriftstellers Andreas Neumeister, das mich immer wieder schmunzeln lässt.
Frankfurter rühmen sich ja gerne mal mit der gefühlten Nähe zu New York. Das kosmopolitische Lebensgefühl, die Finanzmärkte und natürlich die Skyline, all das schafft Verbundenheit mit der amerikanischen Weltmetropole. Apropos NYC, die altehrwürdige New York Times hat vor kurzem weltweit 52 Orte auserkoren, die ihrer Meinung nach dringend eine Reise wert sind. Frankfurt landete auf Platz 12. Besonders spannend fanden die Autoren das aufstrebende Bahnhofsviertel, allem voran das großartige Pastrami-Restaurant Maxi Eisen, benannt nach einem Mafioso der dreißiger Jahre. Übrigens, kein anderer Ort in Deutschland hat es auf die Liste geschafft.
Kommen wir nochmal kurz auf’s Bahnhofsviertel zu sprechen: Lange Zeit wurde das schmuddelige Viertel hinterm Hauptbahnhof fast ausnahmslos mit Bordellen, Sexshops, Spielcasionos und Migrantenshops verbunden. Drogenabhängige und Obdachlose bestimmten das Straßenbild, insbesondere um die Niddastraße, wo eine der Fixerstuben angesiedelt ist. In letzter Zeit wurde das Viertel allerdings immer mehr von Frankfurts Kreativen entdeckt und ist seitdem nicht mehr nur hart, sondern plötzlich auch hip.
Neben Eckkneipen und Schnellimbissen macht sich langsam auch die Trendgastronomie breit. Nicht nur die Jungs vom Maxi Eisen haben hier wie bereits erwähnt einen Laden aufgemacht, auch DJ Ata Macias, Gründer des großartigen Clubs Robert Johnson, hat sich für die raue Gegend entschieden, um hier seine Bar Plank zu eröffnen. Nur ein paar Straßenzüge weiter kochen in dem von Ata gegründeten Club Michel wechselnde Gastköche. Wer hier essen will, muss sich erst auf der Website registrieren und wird dann eingeladen. Ja, das Bahnhofsviertel erfindet sich gerade neu, also schnell hin da, bevor am Ende alles kaputt gentrifiziert ist.
Die Zeil ist Frankfurts größte Shoppingmeile, mit unzähligen Geschäften, die natürlich alle ausnahmslos doof sind. Wer es allerdings geschafft hat dem Einkaufsterror zu entfliehen, kann ganz am Anfang der Straße in einem der charmantesten Cafés, dem bezaubernden Maingold, auf Omasofas leckersten Kuchen verspeisen.
Das Café Größenwahn ist eine wahre Frankfurter Institution. Maßlos ist hier nicht nur der Name, sondern auch die Portionen der Gerichte, die allesamt großartig schmecken. Das Ambiente ist gemütlich, aber unprätentiös, am Nebentisch diskutieren verschrobene Alt-68er über das Wahlprogramm der Grünen. Sehr sympathisch.
Wer es ein wenig szeniger mag, dem sei hingegen die Freitagsküche wärmstens ans Herz gelegt. Ein Künstlerkollektiv hat das alternative Gewerbe vor gut zehn Jahren gegründet, um hier für Freunde und Freundesfreunde gemeinschaftlich zu kochen. Mittlerweile ist aus dem provisorischen Konzept ein richtiges Restaurant entstanden. Jeden Freitag stehen hier wechselnde Gastköche, vorwiegend aus der Kunstszene, hinterm Herd um traditionelle Gerichte zu zaubern. Die Gäste nehmen wiederum an langen Tischen platz, Teil der unkonventionellen Idee ist es dabei auch, mit fremden Leuten ins Gespräch zu kommen und mit ihnen den Abend zu verbringen.
Wer in der Stadt seiner Einkaufslust frönen möchte, dem sei hiermit eine Adresse besonders empfohlen:
Frankfurts Superstore Hayashi, kunterbunte Welt von Kerstin Göhring, ihres Zeichens auch als Kolumnistin des Blogazines Journelle bekannt. Nicht bei jedem Besuch kann ich den Laden bugetbedingt mit vollen Einkaufstüten verlassen, tue ich es dann aber doch, trage ich neue Lieblingsstücke hinaus. Ganz umsonst: Inspiration sammeln durch die tolle Dekoration und Dinge bestaunen können, die man sonst nur auf den Streetstyle-Fotos der Instyle zu sehen bekommt, wie etwa die Bücherclutches von Olympia Le-Tan.
Sehr lobenswert: Frankfurt gibt gemessen an seiner Einwohnerzahl, bundesweit am meisten für Kultur aus. Toll, wenn man bedenkt, was Kulturinstitute der Stadt zurückgeben.
Investiert wird das Geld unter anderem ins Schauspiel Frankfurt, wichtigstes Theater des Main-Rhein-Gebiets. Allabendlich werden hier bis zu tausend Zuschauer bespaßt, die sich zwischen Programm auf vier verschiedenen Bühnen entscheiden können. Von antiken Tragödien bis zu innovativen Projekten und Uraufführungen ist hier alles dabei.
Im altehrwürdigen Städel Museum kann man neben Klassikern der Kunstgeschichte wie Botticelli und Lucas Cranach auch Rauminstallationen des Frankfurter Bildhauers von Tobias Rehberger bewundern. Vor ein paar Jahren wurde das Museum durch einen unterirdischen Erweiterungsbai nahezu verdoppelt, damit mehr Platz für moderne Kunst geboten werden kann. Wenn man in Frankfurt ist, ist ein Besuch in den heiligen Hallen Pflichttermin.
Kommen wir zu guter Letzt noch auf ein besonders sensibles Thema zu sprechen: Frankfurts Nachleben. Ja, die Mainmetropole ist Stadt der Banker und dementsprechend ist die Zahl der edlen Clubs, in denen sich Menschen mit hochgestellten Hemdkragen oder Perlenohrringen wohlfühlen sollen, hoch. Fernab von After-Work-Clubs, in denen Männer Frauen mit ihren Autoschlüsseln beeindrucken, gibt es allerdings tatsächlich ein paar Läden, denen man unbedingt einen Besuch abstatten sollte.
Robert Johnson: Atas legendärer Club in Offenbach hat nicht nur die beste Anlage der Stadt zu bieten, sondern auch eine Dachterrasse mit großartigem Blick über den Main. Hochkarätige DJs wie Gerd Janson und Ricardo Villalobos sind hier Residents. Mehr muss man eigentlich nicht sagen.
Pik Dame: Ein ehemaliger Puff mitten im Rotlichtbezirk der Stadt. Während man auf Einlass wartet, kann es schon mal passieren, dass sich neben einem jemand einen Schuss setzt. Jap, die Elbestraße ist nichts für zarte Seelen. Hat man es dann aber erst hineingeschafft, wird man mit wunderbar plüschigem Ambiente belohnt. In die Jahre gekommene Ex-Prostituierte servieren leckere Cocktails, die Musik ist irgendwo in den späten 80ern hängengeblieben. Herrlich.
The Parlour: Das schöne am Parlour ist, dass es recht versteckt in einer Seitenstraße liegt. Außerdem muss man klingeln und um Einlass bitten. Deshalb besteht der Laden hauptsächlich aus Stammpublikum. Die Jungs vom Parlour servieren außerdem wahrhaft umwerfende Drinks, alle verwendeten Sirupe werden selbst kredenzt. Auch schön, die Drinkkarte wechselt saisonell. Kurz, das Parlour ist ein klasse Laden, zu später Abendstunde kann es hier richtig wild werden.
Apropos wild: Als Berliner ist einem das Wort ‚Sperrstunde’ ja ein Fremdbegriff, in Frankfurt ist es allerdings ein Problem, mit dem man sich früher oder später auseinandersetzen muss. Wenn also partymäßig nichts mehr geht, dann ab in eine der Apfelweinkneipen, für die Frankfurt so berühmt ist.
Ein von mir sehr geschätztes Reisemagazin hat neulich mal geschrieben „Frankfurt. A hidden champion“. Besser hätte man es wohl nicht sagen können.