Vor meiner Zeit als i-ref Autorin, habe ich es höchstens bis in die USA geschafft, nun ist auch das natürlich auch kein Katzensprung, doch ist es eben ein ganz anderes Feeling wenn man weder Schrift noch Sprache spricht und Mensch und Kultur den europäischen Maßstäben so gut wie garnicht entsprechen. Tokio wird unter diesem Aspekt ein ganz besonderes Abenteuer!
Auch ich – immer noch ein aufgeregtes Nervenbündel – komme irgendwann zur Ruhe und spätestens, nachdem an Bord das Abendessen serviert wurde, werde ich langsam schläfrig.
Mein Highlight auf diesem Flug war übrigens, tatsächlich das Abendessen. Statt gedämpfter Kartoffeln mit irgendwas mit Tomatensoße (wie es gerne auf Langstreckenflügen angeboten wird) wurden wir nämlich an Bord der Asiana Maschine mit so etwas wie einer Reis-Gemüse Bowl überrascht, dazu gab es eine Misosuppe und eine mysteriöse Zahnpastatube die dem Besteck beigelegt wurde. Netterweise lüftet mein koreanischer Sitznachbar, auf meine fragenden Blicke, das Geheimnis um die geheimnisvolle Tube.
Hinter dem irritierenden Packaging verbirgt sich, eine Korean Hot Pepper Paste – diese ist wie Salz & Pfeffer zum würzen gedacht und verleiht meinem Gericht eine angenehme Schärfe.
Zwar ist es mir nicht gelungen das Menü von seiner fotogensten Seite abzulichten, doch möchte ich dies einfach nochmal erwähnt haben: Das Essen an Bord war super!
Mein Tag beginnt mit einer Zeitreise, denn ich besuche eine traditionelle Sumo Ausbildungsstätte – ok, ich hätte niemals im Leben gedacht, dass ich einmal einen Sumo-Training zuschauen werde – aber auf alle Fälle ist das der perfekte Einstieg wenn man sich gleich mal richtig fremd vorkommen möchte.
Ich bin prinzipiell kein Fan von Kampfsportarten, aber Sumo Ringen, dessen Geschichte mehrere 100 Jahren zurück reicht, ist wirklich eine ziemlich beeindruckende Angelegenheit. Abgesehen von der Historie, ist auch das Happening der 200kg schweren kämpfenden Männer, sagen wir es mal so – ein ganz besonderes Erlebnis!
Auf dem Weg dorthin mit der Metro, staune ich über die sauberen Straßen, das irrsinnig große U-Bahn System, die fremde Architektur und auch über mich. Wie ich hier so sitze, in der Metro in Tokio, zwischen vielen japanischen Business Männern in Anzügen auf dem Weg zu meinem ersten Sumotunier… Ich lieb’s ja jetzt schon!
Die Ausbildungsstätte ist auch ein Internat, die jungen Ringer ziehen hier im Alter von 12,13 Jahren ein und erfahren eine Ausbildung zum professionellen Summe Kämpfer, traditionell wie seit Jahrhunderten. Als ich den Trainingsraum betrete (ohne Schuhe und in Socken, das gehört sich hier so) schlägt mir kühle staubige Luft sowie kalte Schwaden von Zigarettenrauch, entgegen.
Der Raum den ich soeben betreten habe, ist ebenerdig und ähnelt einem Spielfeld. Der Boden ist mit einem sand- oder erd-artigem Gemisch bedeckt, auf welchem deutlich ein aufgemalter Kreis zu erkennen ist. Um diesen Kreis bewegen sich die schwergewichtige Sumo Ringer die sich abwechselnd rhythmisch wie in einer Choreographie auf ihre schweren Schenkel mit den Handflächen klatschen.
Die andere Hälfte des Raumes ist leicht erhöht und mit Parkett ausgelegt, gesäumt von Portraits mir unbekannten Personen, thront hier mit strengem Blick, (einer Zeitung und einer Schachtel Zigaretten in der Hand) der Sumo Meister. Ich setze mich ans andere Ende des Raumes und beobachte von hier – mit einer besonderen Ehrfurcht – das Training.
Selbst als absoluter Sumo Leihe, merke ich, hier liegt neben dem Zigarettenrauch und dem aufgewirbelten Staub noch viel anderes in der Luft – die besondere Ehrfurcht der Krieger, ausgewählt und ausgebildet zu werden, in einer speziellen Art zu kämpfen, welche nur wenigen Menschen vorbehalten ist.
Schafft man es als junger Krieger in den Kreis einer der wenigen noch existierenden Ausbildungsstätte aufgenommen zu werden, so sind diese der ganze Stolz ihrer Familien. Allerdings wird ihnen durch diesen besonderen Lebensentwurf einiges abverlangt. Nicht nur die körperlichen Schäden, welche sich oft erst im Alter bemerkbar machen, sondern auch die Tatsache, dass sie den großen Teil ihrer eigenen Identität für ihre Sumo-Ausbildung aufgeben, sind die dunklen Seiten dieser Karriere.
Je länger ich die Gruppe bei ihrem hoch konzentriertem Training beobachte, desto mehr fühle ich mich hypnotisiert von ihren rhythmischen Bewegungsabläufen und den sich wiederholenden Kampfgeräuschen. Trotz ihres schweren Körpergewichts, wirken für mich die Sumos äußerst anmutig und mich überrascht, mit welch körperlichen Präzession jede Bewegung ausgeführt wird.
Das Geräusch allerdings, welches entsteht wenn sich zwei Sumos mit jeweils 200kg angreifen – werde ich so schnell nicht mehr vergessen. Der Kontrast zwischen Konzentration und purer Brutalität holt mich zurück ins jetzt und ich beschließe ein bisschen frische Luft zu schnappen…
Nach dieser, sehr intensiven Erfahrung, habe ich Lust Tokio von seiner bunten Seite kennenzulernen.
Ein Besuch im Tokio Skytree Tower, dem höchsten Fernsehturm Tokios und im teamLab Digital Art Museum macht mir unwillkürlich klar, dass hier nicht nur alles in Höchstgeschwindigkeit abläuft sondern auch, dass uns Tokio um Lichtjahre voraus ist in Sachen Technik.
Meinen persönlichen Kulturschock (das meine ich im positiven Sinne) erlebe ich gegen Nachmittag als ich mit der Metro in die Shibuya Station einfahre. Wenige Minuten später stehe ich am berühmten Zebrastreifen und als die Ampel auf grün umschlägt, bleibt mir nichts anderes übrig als mich von der Menschenmasse mitreißen zu lassen, ich laufe einfach drauflos, hinein in ein buntes leuchtendes Chaos voller Geschäften, Bars und dunklen Seitengassen.
Wer von Shibuya noch nie etwas gehört hat, dem möchte ich bei dieser Gelegenheit etwas auf die Sprünge helfen: Es handelt sich um einen Stadtteil in Tokio, der sich neben seiner weltberühmten Straßenkreuzung auch dadurch auszeichnet, dass sich hier die Alternativen und hippen Jugendkulturen Tokios treffen – zumindest war das mal so. Heute ist der Stadtteil schon eher touristisch ausgelegt und hat auch Ähnlichkeit mit dem Times Square in New York, dennoch treffe auch ich hier auf viele modische Ausnahmeerscheinungen, von Kawaiigirls bis hin zu Hippstern oder Gothes ist alles dabei – und ich fühle mich wie im Paradies denn abgesehen von all den Farben und Lichtern um mich (was auch mich etwas überfordert) genieße ich den Augenblick hier unter so vielen Menschen trotzdem ganz allein zu sein – ein irres Gefühl!
In einem Geschäft versuche ich ein paar Souvenirs und Mitbringsel zu kaufen und finde eine Vielzahl an schrägen Lebensmitteln uns Süßigkeiten, wie es hier bei uns niemals geben könnte. Wasabi Kitkat, Tomatensaft Bonbons oder Cola, die so klar wie Wasser ist. Ich entscheide mich für 2 Packungen Matcha KitKats, die es aber nie zurück nach Berlin schaffen sollten.
Nach so vielen neuen Eindrücken und vor allem Lichtern, fällt es einem schwer Abends einzuschlafen. Zumindest ging es mir so nach meinem ersten Tag in Japan.
Man findet hier eine Häckelmütze für Katzen in Gemüseform, Plastik Kartoffelchip Handy-Anhänger, obszöne Miniatur Manga Figuren zum hinstellen oder aufblasbare Plastikraketen – an den niemals endenden Automatenreihen stehen tatsächlich viele Leute und werfen fleißig ihr Kleingeld (300 – 500 Yen) in den Münzschlitz, in der Hoffnung mit etwas Glück genau das Exemplar aus der Reihe zu ergattern, welches in ihrer Sammlung noch fehlt.
Okay, also wie schräg ist das denn bitte?! Nachdem auch ich, jetzt stolze Besitzerin einer aufblasen Rakete und einem Plastik Nigiri Anhänger, den Automaten Kult ausprobiert habe – kann ich auf seltsame Weise ein bisschen besser verstehen warum diese Dinger hier so gut ankommen…
Egal bevor ich hier mein Geld ausgebe, begebe ich mich lieber auf Entdeckungstour durch den Bezirk. Ich schlendere eine Gasse entlang, auf welcher ausschließlich alte PC Ersatzteile verkauft werden, Kabel und Handys und überquere einen überdachten Markt wo ländlicher Kabel und Kline Lämpchen anbieten.
Auch hier wieder hunderte der bunten Reklametafeln, dieses Mal sind es vor allem mir fremde Anime Charaktere die von oben auf mich hinabblicken und auf den Straßen begebe ich einigen Cosplay Spielern, die sich in der Realität als ihre liebsten Helden aus der Gaming-Welt verkleiden.
In Akihabara wartet noch ein ganz besonderes Highlight auf mich, denn mein Guide führt mich zu einem sogenannten Maid Café! Maid Cafés sind hier in Tokio total angesagt, es handelt sch dabei um Restaurants und Cafés die nach den skurielsten Themenwelten konzipiert wurden (Cosplay).
Dabei werden die Gäste dieser speziellen Cafés immer von Kellnerinnen im typischen Dienstmädchen Look empfangen – sehr beliebt auch: Die unschuldige Schuluniform. Ich bin gespannt was mich mit dieser Art von Restaurant Konzept erwartet und betrete das unscheinbare schmale Haus gelegen auf einer der großen Elektronik Meilen in Akihabara. Es geht in den dritten Stock, nach kurzen Überlegungen und einen Blick in einen mir nicht vertrauenswürdig wirkenden Aufzugschacht, entscheid ich mich für die Treppe. Im 3. Stock angelangt werde ich von zwei sehr freundlichen, aber auch sehr jungen Damen bekleidet mit sexy Zimmermädchen Outfits, empfangen.
Die Gäste des Cafés meist männlich, scheinen schwer Beschäftigt. Viele tragen Headset und vor ihnen auf den Tischen neben dem Sahne Kaffee glühen die Bildschirme ihrer Laptops, auch die Tastaturen auf welche sie unentwegt hecktisch mir unverständliche Codes eintippen. Ich bestelle einen Kaffee und versuche nicht die anderen Gäste anzuglotzen, denn diese Atmosphäre in diesem Café ist wirklich speziell.
Keine Musik, recht ungemütlich und dazwischen all diese Hacker und die leichtbekleideten Mädchen die mir auch durch ihre naiv-kindliche Art sich zu bewegen und zu sprechen auffallen. Als mir eine der Maids meinen mit Sprühsahne überladener Kaffee (die Sahne in Form eines Teddybären mit Augen aus Schokosirup) an den Tisch bringt, ist es mir irgendwie schon zu viel.
Zu viel süß zu viel heile Welt und gepaart mit einem bitteren Beigeschmack welchen die Geeks bei mir hinterlassen. Ich brauche frische Luft!