Vor meinem ersten Besuch in Meran, schwärmte mir Norman – unser Südtirolliebhaber Nummer 1 – besonders von einem Ort vor, den ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen darf. Er sprach vom Ottmangut, einer der wohl schönsten Unterkünfte im Umkreis oder auch ein home away from home. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen, also machte ich mich auf zum Suite & Breakfast um mich mit dem Hoteldirektor Martin Kirchlechner zu treffen, der anders als das staubige Wort „Hoteldirektor“ vermuten lässt, ein sehr interessanter junger Mann ist, der mir viel zu seiner Pension, dem Slowfood-Gedanken und der Restaurierung eines historischen Anwesens erzählen konnte.

Das Ottmanngut ist ein Gästehaus und es ist ein Ort mit einem ganz besonderen Flair. Nicht wie in anderen Unterkünften reiht sich hier Tür an Tür und Flur an Flur – nein, hier gibt es nur neun, dafür aber ganz individuell gestaltete Zimmer. Jedes strahlt auf seine Art eine besondere Atmosphäre aus. Auch eine kleine Bibliothek, eine geschichtsträchtige Orangerie, ein idyllischer Vorgarten und die Liebe zum Detail, die auf Spuren von Jugendstil und Biedermeier zurückgreift, laufen hier in einer Gesamtatmosphäre zusammen.

Martin, du bist in Meran aufgewachsen, hast aber in Wien Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur studiert. Schon damals war es ein Traum von dir, einen Stand mit Südtiroler Produkten zu eröffnen. Schließlich bist du nach Meran, also in deine Heimat zurückgekehrt und hast mit deinem Bruder das Ottmanngut restauriert. Ihr seid nun plötzlich in der Gastronomie tätig. War das insgeheim ein lang ersehnter Wunsch deinerseits? Wie fiel dir der Einstieg in das Gewerbe und wie gehst du jetzt, einige Jahre später, damit um?

Zurückgekehrt sind wir beide eigentlich erst, da mein Vater begonnen hat das Ottmanngut zu renovieren. Mein Bruder war kurz vor Ende seines Studiums und hat beim Umbau die Bauleitung übernommen – er ist eigentlich Mediziner. Ich bin in den Ferien immer nach Meran gekommen und hab mitgeholfen und mitentschieden. Die Idee das Ottmanngut selbst zu führen kam erst gegen Ende der Renovierung und wurde mir, nach gründlicher Diskussion in Familie und Großfamilie dann glücklicherweise gestattet ;). Ein lang ersehnter Wunsch war es eigentlich nicht, aber für mich war es irgendwo schon Plan B. Gedacht habe ich da aber eher an ein kleines Bistro oder eben diesen Stand, Meran als Standort kam mir wirklich nie in den Sinn geschweige denn das Ottmanngut selbst. Ich dacht immer ich bleibe in Wien.

Der Einstieg selbst war dann nicht besonders schwer, doch mit der Zeit wurde ich doch etwas überrascht von der Gastronomie (und wir machen ja nur Frühstück) und der Führung des eigenen Betriebes. Doch gibt es neben den anstrengenden und zeitintensiven Seiten dieses Berufs so viele schöne. Die Menschen die man kennenlernt, die Dankbarkeit die man bekommt, die Veranstaltungen die wir machen können, die lachenden und während des Aufenthalts zunehmend entspannten Gesichter – dieser Beruf des Dienens ist schon etwas sehr Besonderes.

Das Ottmanngut ist offiziell eine Pension. Wer euer Gut kennt, der weiß genau, dass der Begriff  Pension nichts mit dem zu tun hat, was wir darunter üblicherweise verstehen. Biologisch und regional angebaute, gute Produkte mit höchstem Qualitätsstandard spielen dabei eine genau so große Rolle wie die Authentizität eures Hauses und euch als Gastgeber. Wie konntet ihr eurer Rolle als Gastronomen so schnell gerecht werden?

Die offizielle Bezeichnung ist eigentlich Bistro Hotel Garni. Das Bistro kommt daher, da wir auch für externe Gäste Frühstück anbieten. Der Begriff Pension ist einfach noch im Umlauf weil es einmal so war und wir uns bisher noch nicht vom alten Schild am Hauseingang trennen konnten. Mir persönlich beginnt der Begriff wieder besser zu gefallen.

Wie gut wir dieser Rolle gerecht werden kann ich nicht sagen. Wir versuchen einfach den Gästen eine schöne Zeit zu bereiten, auf Ihre Wünsche einzugehen und ihnen das Gefühl zu geben in jeglicher Hinsicht gut aufgehoben zu sein. Uns selbst möchten wir dabei aber nicht links liegen zu lassen. Authentizität (im Haus, bei den verwendeten Produkten und auch bei uns selbst) war uns auch deshalb wichtig, weil es für uns anders gar nicht in Frage gekommen wäre. Da müssten wir uns im eigenen Familienhaus ja ständig verstellen. Das kann keine Freude machen. Uns nicht und den Gästen auch nicht.

Es ist offensichtlich, dass ihr stark von einem Slowfood-Gedanken beeinflusst seid. Vor allem die nördlichen Regionen Italiens wurden von dieser Essenskultur enorm geprägt. Woher und nach welchen Kriterien bezieht ihre eure Produkte?

Ja das stimmt, der Slow Food Gedanke spielt bei uns schon eine große Rolle. Wir versuchen möglichst regional und möglichst biologisch aber in jedem Fall saisonal zu bleiben. So kommt in den Wintermonaten auf das morgendlich Müsli eben kein frisches Obst, sondern eingemachtes Kompott. Wir beziehen die Produkte unterschiedlich und haben das Glück nun einige Bauern in der Umgebung zu kennen, von welchen wir schöne Produkte bekommen. Da es gewisse Dinge aber nicht in nächster Nähe gibt können wir ruhigen Gewissens auf ein Geschäft in Meran zurückgreifen, das das Slow Food Prinzip verinnerlicht hat und auch kleinen Bauern einen Absatzmöglichkeit schafft, es gibt dort nur Südtiroler Produkte. Alles andere, was bei Bauern und diesem Laden nicht möglich ist, beziehen wir bei einer Art Bio-Supermarkt.

Das Ottmanngut passt zweifelsohne perfekt zum Thema Slowfood. Es ist ein Ort der Ruhe, abseits von fünf Sterne- oder Massentourismus. Aus persönlichen Berichten wissen wir, dass der Zeit in eurem Haus eine besondere Bedeutung zukommt. Wie konntet ihr euch beide in der Geschichte des Hauses neu erfinden?

Es ist ja alles eher zufällig passiert. In der Zeit der Renovierung haben mein Bruder und ich unser Haus erst richtig kennengelernt. Diese Hälfte des Hauses war ja für uns immer schon Gastbetrieb, deshalb kannten wir die Zimmer zwar, hatten aber keinen richtigen Bezug zu ihnen. Im Zuge des Umbaus haben wir nun jedes Zimmer und dessen Hintergründe kennengelernt, es fast wortwörtlich auseinander genommen und wieder zusammengestellt. Mein Vater, der mit der Renovierung begonnen hat, wusste von Anfang an schon wo welches Möbel hinkommt. Wir mussten uns erst herantasten und die Atmosphäre die entstehen sollte versuchen zu erfühlen. Was sehr schön war, dass es auch für uns als Brüder eine neue Situation war. Ein gemeinsames Projekt. Wir haben gemerkt wir haben einen sehr ähnlichen Geschmack, wir wollen mehr oder weniger dasselbe. Für mich war das fast die schönste Erfahrung im Entstehungsprozess. Man merkt, dass man gemeinsam mit dem eigenen Bruder eine sehr starke Kraft entwickelt. So kam es mir zumindest vor. Er ist nun operativ nicht mehr häufig tätig. Er zieht bald in die Schweiz und geht wieder seinem Beruf in der Medizin nach. Doch bei wichtigen Entscheidungen wird er natürlich immer gefragt.

Du sagst, dass die verschiedenen Lebensgeschichten, Ideologien, Ansprüche und der Gästekontakt das erfüllendste bei der Arbeit als Gastronom und Hoteldirektor ist. Hast du eine Geschichte, die dich in deinem Schaffen sehr geprägt hat?

Es ist einfach immer wieder interessant zu hören, was Leute in ihrem Leben machen, wie die Lebenswege gehen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Konkrete Geschichte kann ich jetzt keine erzählen, ich weiß nur, dass ich ganz am Anfang sehr gespannt darauf war, welche Leute wohl in unser Haus kommen werden und ob es wirklich so ist, dass Freundschaften entstehen oder man zumindest auch außerhalb der Anfrage/Angebot-Sache Kontakt hat. Solche Dinge sind bereits entstanden und bereiten riesengroße Freude

Mit Sicherheit zieht es viele in deinem Alter weg aus dem Meraner Land in größere Städte. Ob nun aus beruflichen oder persönlichen Gründen. Dich hat es wieder ins Meraner Land zurück verschlagen. Warum fiel es dir und deinem Bruder so leicht zu den eigentlichen Wurzeln zurück zu kehren und wie stehen Familie und Freunde dazu?

Geplant war das ja wirklich nicht, eher im Gegenteil. Ich dachte nicht, dass ich so schnell wieder zurückkomme. Wie ich schon geschrieben habe, mein Bruder ist ja bald wieder weg. Leichter hat es mir das Projekt Ottmanngut gemacht. Ich habe mich gefreut und war voller Tatendrang. Doch von Wien weg zu ziehen ist mir natürlich sehr schwer gefallen. Die Familie hat sich gefreut, besonders die Oma, dass das Haus nun von uns selbst weitergeführt wird. Bei den Freunden ist es auch so, man ist natürlich um jeden Freund froh, der wieder zurückkommt.

Das Meraner Land ist für Gastronomen und Gäste sicherlich ein wahres Paradies, in jeglicher Hinsicht. Die Menschen sind herzlich, die Region hat kulinarisch so vieles zu bieten und die Landschaft ist sehr kontrastreich und somit für Winter- als auch Sommerurlauber attraktiv. Hättet ihr die Möglichkeit eine zweite Gastronomie zu eröffnen. Welches Land würde es werden und warum?

Diese Frage würde ich wahrscheinlich alle paar Wochen anders beantworten. Im Moment wäre es wohl die Haute-Provence. Ich war vor kurzem dort und habe mich sehr wohl gefühlt. Ein kleines B&B mitten in den Eichenmischwäldern und Lavendelfeldern, umgeben von all diesen kleinen romantischen Dörfern könnte ich mir schon gefallen lassen. Wir haben dort wunderbares Obst und Gemüse und natürlich super Käse gegessen – unglaublich schöne Gegend.

Mit der Restaurierung des alten Weinguts habt ihr eine Wohlfühloase geschaffen, die euch sicherlich auch in Zukunft vor die eine oder andere Herausforderungen stellt. Ihr plant Tanzabende, Lesungen, Konzerte abzuhalten. Was wünscht du dir für die  Zukunft eures Hauses?

Ich wünsche mir in erster Linie natürlich weiterhin so tolle Gäste. Wir sind wirklich sehr verwöhnt und haben sehr angenehme Menschen im Haus. Ich wünsche mir dass wir all die Dinge weiterhin so machen können wie sie uns Spaß machen, eben genau jene Veranstaltungen und Degustationen. Und ich wünsche mir, dass wir Teil dieses frischen Windes sein können der durch Meran weht und etwas dazu beitragen können, dass Meran sich ein wenig verjüngt.

Ottmanngut

G.-Verdi-Straße 18

39012 Meran