PROLOG

Ich liebe das Meer aber auch Berge. Ich liebe einsame, geheime Buchten, aber auch kilometerlange Sandstrände. Am meisten Liebe ich es jedoch, wenn ich all das miteinander kombinieren kann. Seit meiner Kindheit träume ich davon, endlich mal einen Roadtrip zu machen. Seit meiner Kindheit träume ich davon, einmal Korsika, die französische Trauminsel im Mittelmeer, zu besuchen. 2017 wurde der Traum für mich endlich wahr. Gemeinsam mit meiner besseren Hälfte wage ich das Abenteuer: 16 Tage, 5000 Kilometer, vier Länder, zwei Menschen, einmal um Korsika. Ende August traten wir an einem Freitagabend unseren gemeinsamen Weg gen Süden an. Mit einem kurzen Stopp in Thüringen ging es von Berlin für drei weitere Tage in das wunderschöne Meraner Land in Südtirol und schließlich vorbei am Gardasee zu unserer Fähre nach Savonna an der Nord-West-Küste Italiens, die uns in einer sechsstündigen Überfahrt nach Bastia auf Korsika bringen sollte.

Wer von der idyllischen französischen Insel schon gehört hat, sich allerdings nichts Genaueres vorstellen kann, dem dürfte jetzt ziemlich schnell klarwerden, wie man sich Korsika landschaftlich ausmalen kann. Nördlich von der italienischen Insel Sardinien und westlich von Italien gelegen, hat das kleine Roadtrip Paradies zunächst topografisch einiges zu bieten: Die Insel, mit einer Fläche von nicht einmal 9.000 Quadratkilometern und knapp 320.000 Einwohnern, besteht zu 90% aus Bergland und 10% Küstentiefland. Vom Cap Corse im Norden bis zum Cap Perusato im Süden erstreckt sich die Insel auf gerade einmal 183 Kilometer. Von Alistro im Osten zum Capo Rosso im Westen sogar nur 83 Kilometer. Beachtlich wenig, wenn man bedenkt, dass es sage und schreibe 50 Zweitausender gibt und der höchste Punkt der Insel sogar 2706 Meter ist. Feinster Sandstrand trifft auf der viertgrößten Insel des Mittelmeers in beachtlicher schnelle auf Hochgebirge. Es wundert kaum, dass die Insel die den Beinamen „Gebirge am Meer“ trägt, aus unzähligen unberührten Buchten, riesigen steil abfallenden Felsformationen, geheimnisvollen Gebirgsbächen und feinsten Sandstränden besteht, die sich wie an einer Perlenkette an der 1000 Kilometer langen Küstenlinie reihen.

Die französische ungezwungene und manchmal quirlige Art der Korsen, wie man die Einheimischen nennt, trägt das Übrige dazu bei, dass Korsika einer der beliebtes Urlaubsdomizile der Europäer gehört. An den letzten Sommertagen lässt es sich bei bis zu 35 Grad am Tag und angenehmen 20 Grad bei Nacht auf Korsika genießen. Bei knapp 230 Sonnentagen im Jahr, ist die Chance ohnehin sehr groß im prallen Sonnenschein zu brutzeln, während der Herbst Deutschland schon allmählich in bunte Farben taucht und für die ersten kalten Tage sorgt.

Auf der ersten Etappe unserer Reise nehmen wir für ganze fünf Tage die Ostküste der Insel ins Visier, die windgeschützt von den allgegenwärtigen 2000ern das reinste Dolce Vita Feeling bietet. Vorbei an der im Norden thronenden Stadt Bastia geht es an der einzigen großen Küstenstraße gen Süden in Richtung Sari Solenzara und dem Fischerörtchen Porto Vecchio.

SARI SOLENZARA - EIN TRAUM VON TAUSEND POOLS

Das beschauliche Dörfchen Sari Solenzara im französischen Départment Corse-du-Sud sollte das erste Ziel unserer Roadtrips um die Insel werden. Nachdem wir gegen Mitternacht mit der Fähre Bastia erreichen, fahren wir in der ersten glasklaren Nacht auf der Insel in Richtung der Gemeinde, in der wir am darauffolgenden Tag erstmals in eine Unterkunft auf der Insel einchecken. Kurz vor Sari Solenzara biegen wir links ab, parken das Auto und versuchen trotz des mulmigen Gefühls Schlaf zu finden, denn obgleich die Korsen ein nettes Völkchen sind, ist das Wildcampen nahezu überall verboten und wird oftmals auch mit eingeworfenen Autoscheiben bestraft. Wir hatten Glück. In dieser Nacht bleiben unsere Scheiben ganz und der erste Sonnenaufgang am Meer entlohnt uns für die etwas ungemütliche Nacht. Wir verbringen den Vormittag am Meer und ziehen am Nachmittag in unsere erste Unterkunft, die einen einzigartigen Blick auf die Ostküste ermöglicht.

Im Meer schwimmen ist toll, wer allerdings in der Nähe von Sari Solenzara ist, sollte ein ganz besonderes und einzigartiges Naturschauspiel in den Bergen nicht entgehen lassen: Das Tal des Wildbachs Solenzara führt langsam bergauf, durch undurchdringliche Macchiawälder, enge Schluchten, weite Lichtungen und dichte Forste aus Schwarzkiefern, Buchen und Steineichen. Am tiefsten Punkt des Tals hat der Wildbach selbst in jahrhundertelanger Arbeit das weiße Geröll flussabwärts geschoben und am Rande einzigartige Gumpen, glattgewaschene Felsen, Wasserfälle und Badestellen zurückgelassen. Hier entstehen dutzende natürliche Becken, in denen sich das kühle, frische Quellwasser sammelt und für ein ganz besonderes Badeerlebnis sorgt.

Diesen einzigartigen Ort zu finden ist leichter als es zunächst einmal klingt. Hierfür muss man von Sari Solenzara die D268, die sich in engen Kurven durch das Tal schlängelt, in Richtung Zonza fahren. Nach knapp 10 Kilometer Fahrt geht es in schmalen Pfaden zum Flussbett hinunter bis man schließlich auf riesige Felsen, glasklare Gewässer und schattenspendende Pinien trifft. Hier bietet sich die Möglichkeit von 10 Metern Höhe in tiefe Becken zu springen, zu schwimmen, über glatte Naturrutschen von der einen in die nächste Gumpe zu rutschen oder einen Wein am Rande des Flusses zu genießen.

Für wen es etwas abenteuerreicher sein darf, dem ist eine weitere Aktivität ans Herz gelegt, die atemberaubend wie spektakulär ist: Canyoning. Wer einmal im Web danach sucht, dem wird schnell klar, worum es geht. Man begeht eine Schlucht von weiter oben flussabwärts: Durch abseilen, klettern, springen, rutschen, schwimmen und tauchen gelangt man mit geeigneter Ausrüstung durch die Schluchten. Unsere Tour beginnt um 7 Uhr morgens in Sari-Solenzara, wo wir auf den Rest der Gruppe uns unseren Tourguide treffen, dem wir bereits wenig später viel zu schnell die Cascades de Polischellu hinauf folgen. Nach knapp 30 Minuten erreichen wir einen kleinen Parkplatz, legen Helm, Schuhe und Neoprenhose – auch liebevoll Long John genannt – an, um weitere 30 Minuten zu Fuß bergauf zu meistern. Nach einer ersten Klettereinlage an 30 Meter tiefen Felswand erreichen wir die Quelle des Flusses, der sich bereits hier an einer 15 Meter glatten Wand in die erste Gumpe ergießt. Abenteuerreich geht es nun für drei Stunden flussabwärts. Anfängliche Skepsis weicht der Abenteuerlust doch die Herausforderungen werden größer, länger und steiler. Nach 3-stündigem vollem Körpereinsatz steht das letzte Hindernis bevor. Rückwärts werden die Teilnehmer ins ungewisse über eine in Stein gewaschene Rutsche entlassen, die unten in eine Rampe mündet. Nachdem ich schreiend 7 Meter rutsche katapultiert mich die Kraft des Wassers weitere 3 Meter in die Luft und lässt mich schließlich 8 Meter frei fallen. Das Adrenalin hämmert durch meinen Körper, der Blick in das türkisblaue Wasser besänftigt. Was für ein Tag!

DIE OSTKÜSTE - EIN TRAUMSTRAND JAGT DEN NÄCHSTEN

Die Ostküste ist ein Traum einer jeder Wasserratte. Nachdem wir zwei Tage die Täler und Schluchten von Sari Solenzara erkundet haben ging es nun wieder an das Meer, denn die schönsten Strände der Insel findet man zweifelsohne  an der Süd-Ostküste Korsikas zwischen Porto Vecchio und der südlichsten Stadt Bonifacio. Die Möglichkeiten Strände zu besuchen sind unzählig wie vielfältig. Feinster Sandstrand mit seichtem türkisblauem Wasser im Osten treffen auf roughere Küste im Westen sowie die wunderschöne Balagne rund um Calvi und L’Île-Rousse, in der Olivenbäume neben Zitruspflanzen und Weinreben blühen. Im Südwesten verborgen liegt zudem Proptiano, Campomoro und Porto-Pollo mit weiten Stränden und kleinen Buchten, die sich vor den Touristen Hotspots der Insel auch nicht scheuen müssen. Drei unserer Lieblingsstrände finden wir dennoch im Osten der Insel. Drei Strände, die wir für jeweils einen Tag besucht haben und jedem von euch einfach ans Herz legen müssen.

Die Bucht von Santa Giulia ist das erste Highlight, welches sich nur fünf Kilometer südlich von Porto Vecchio findet. „Sind wir hier noch auf Korsika“ frage ich meine Freundin. „Es könnte die Karibik sein“ antwortet sie mir mit einem Lächeln auf den Lippen. Das glasklare Wasser, der feine Sandstrand, das seichte Wasser welches in allen denkbaren Blautönen schimmert – all das erweckt tatsächlich den Anschein, dass wir hier nicht im Mittelmeer sondern in der Karibik sind. Der Strand von Pinarello etwas nördlicher von Porto Vecchio gelegen steht dem in Nichts nach. Dieser liegt geschützt und umrahmt von den für die Region typischen ausgewaschenen Steinen und ist von duftenden Kiefern umsäumt, die den Blick auf den Traumstrand nicht direkt freigeben und wahrscheinlich dafür sorgen, dass der Strand zum Glück nicht so gut besucht ist wie er durchaus sein könnte. No offense! Beide dieser Strände sind ein Traum, doch der Beach Endgegner ist zweifelsohne Palombaggia, der sich unmittelbar hinter der Küstenstadt und endlosen Villen auftut. Der Zugang zum Strand ist leider oft nur durch Restaurants möglich die jedem parkenden Auto 10 Euro abknöpfen, die allerdings die best invertiertesten 10 Euro sind, die ich auf der Insel ausgegeben habe. Die Bucht ist von roten Felsen umgeben, das Hinterland durch einen saftig grünen Pinienwald geschützt. Das Wasser ist glasklar und still, die kleinen Fische im Wasser so bunt und vielfältig wie die Blautöne des Wassers. Der schneeweiße Sand ist fein wie Puderzucker. Die Luft riecht nach Macchia und einer Brise Salzwasser. Es ist das Paradies welches ich niemals verlassen wollte – eine Stunde am Strand fühlt sich an wie eine ganze Woche Spa. Recommended. Highly recommended!

PORTO VECCHIO - SAINT TROPEZ FEELING IN KLEIN

Während wir tagsüber die Strände der Insel genießen, zieht es uns abends in die Altstadt von Porto Vecchio. Die kleine Gemeinde, deren Titel auf italienisch so viel bedeutet wie „Alter Hafen“ hat 12.000 Einwohner und liegt im Zentrum der Beckenlandschaft und am Ende des weit verzweigten Flusseinzugsbereiches des Stabiacco. Hier tummeln sich die Schönen aber auch die etwas besser betuchten Einwohner der Insel. Das Städtchen erweckt also nicht ohne Grund einen Eindruck eines gemütlicheren Saint Tropez oder Nizza.

Die Altstadt besteht aus einer Genueserfestung in deren Zentrum sich vor allem im Sommer unzählige Touristen tummeln und den Blick auf den Yachthafen und der angrenzenden Salina schweifen lassen. Sehenswert ist die zum Großteil erhaltende Zitadelle der Stadt mit dem alten Stadttor Porte Genoise. Zu gut, dass die Altstadt innerhalb der Festungsmauern an Sommerabenden autofrei und den Touristen vorbehalten ist, die hier ausgiebig durch die engen Gassen bummeln, korsischen Wein und frischen Fisch genießen sowie den Straßenmusikern auf dem Place de la République in lauen Sommernächten lauschen. Es sind nur vier Längs- und zehn Querstraßen in denen sich das Leben abspielt, doch es sind ingesamt 14 kleine Gassen mit Charme, die wir zwei Nächte in Folge erkunden, bevor es mit dem Auto weiter gen Süden geht. Doch dazu im nächsten Beitrag.

MEHR

Ihr wollt mehr über Korsika erfahren, dann lest hier das #irefWiki mit zehn spannenden Fakten zur französischen Insel.