Als ich Michael Stuart Ani per Telefon erreiche, kommt dieser gerade von einem ausgiebigen Spaziergang aus einem nahegelegenen Wald in Sebastopol, Kalifornien. „Ich muss von Wäldern umgeben sein“, sagt mir der amerikanische Autor und Anthropologe, der mehr als die Hälfte seiner Lebenszeit im dichten Dschungel des Amazonasgebiets verbracht hat. Dort faszinierte ihn nicht nur die unberührte Flora und Fauna, sondern auch die Menschen, die den Dschungel ihr Zuhause nennen: In seinen 50 Jahren in der Wildnis kam Michael mit zwei Dutzend indigener Völker in Kontakt und lebte mit ihnen zeitweilig. Besonders mit dem Yanomami Volk, dem größten Naturvolk im Amazonasgebiet. Er lernt ihre Sprache, Rituale und galt als „weißer Hexenmeister“ unter den Stammesangehörigen.

Schon als Kind hatte Michael Kontakt mit indigenen Wurzeln und verbrachte mit seiner Mutter, einer Gipsy, viel Zeit in den Indianer Reservate Nordamerikas. Auch er selbst hat einen exotischen Migrationshintergrund, da seine Wurzeln in der Mongolei liegen. „Vielmals rätselten die Leute, aus welchem Dritte-Welt-Land ich wohl abstamme. Iran? Mexiko? Alles war dabei.“ Es ist leider kein Geheimnis, dass die Lebenskonditionen von Indianervölkern in Reservaten alles andere als komfortabel und lebenswert sind. Viele Natives rutschen in die Drogen- und Alkoholabhängigkeit, viele werden aus Frustration gewalttätig. Und so zog Michael los, in den Süden nach Mexiko, um nach den übrig gebliebenen Naturvölkern zu suchen, die genauso leben wie vor Hundert, Tausend Jahren. Am lebendigen Leib begreifen, warum sie ohne Grund leiden mussten.

Ohne vorherige Spanischkenntnisse brannte er nach Mexiko durch, erlernte nach und nach die Sprache, später dann die jeweiligen Dialekte, die ihm bei der Kontaktaufnahme mit dem ersten indigenen Volk halfen. Nicht nur seine Lernbereitschaft, sondern auch etwas in ihm löste eine gewisse Vertrautheit bei den indigenen Völkern aus die er besuchte. „Nur einmal wurde ich von einem Indianer verletzt und das von meinem besten Freund während einer belanglosen Rangelei“, so Michael. Er erklärt sich das intuitive Vertrauen mit seinem eh nicht-europäischem Aussehen – und seiner Fähigkeit im Dschungel alleine zu überleben. „Weiße könnten nicht einfach so im Dschungel funktionieren. Dort gelten andere Regeln, du musst auf dich selbst aufpassen.“ Und auch wenn man den Naturvölkern wohlgesinnt gegenüber treten will, gelten die Regeln der Wildnis: „Man muss die Fähigkeit haben in den Zeremonien und Ritualen sich einbringen zu können. Denn wirst du nicht von den besungenen Ahnen akzeptiert, akzeptieren dich die heutigen Generationen auch nicht.“

Das mystischste Ritual, welches von vielen indigenen Völkern zelebriert wird, ist der sogenannte „Ghost Dance“, also „Geister Tanz“: Er soll das erste Ritual der alten Kulturen sein. Das erste Bild des Geistertanzes findet sich im „Codex Borgia“, einer Bilderschriftsammlung der Azteken. Zwischen 1890 und 1978 war der Tanz in Amerika verboten, die Gründe sind ungewiss. Fakt ist jedoch, dass das Ritual durch die Aufnahme von bestimmten Pilze und andere Pflanzen den Menschen näher zur Natur führen soll. Der Mensch soll während des Rituals die Natur spüren und mit ihr kommunizieren um zurück zur Balance zu finden. Denn diese, laut Ani, ist schon lange aus dem Gleichgewicht. „Unser Gehirn und das Wertesystem reichen oftmals nicht über unseren eigenen Computer hinaus. Die Kommunikation zwischen Natur und Mensch wird immer schlechter. Je mehr wir uns wieder mit der Natur verbinden, desto mehr gerät unsere Welt ins Gleichgewicht. Denn kein moderner  Wissenschaftler wird uns von der schlimmsten Zerstörung selbst retten: Der Menschheit an sich.“

Wenn ihr mehr über Michael erfahren wollt, besucht seine Website, die weitere spannende Einblicke in die Welt der indigenen Völker Latein- und Südamerikas enthält. Sein Buch „Ghost Dance“ ist 2016 erschienen und beschreibt die Entwicklung des ältesten Rituals dieser Naturvölker.